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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 6.1871

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.44265#0049
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der

Porträt-Galerie der deutschen Kaiser: Ferdinand HI.

*) Geschichte der früheren deutschen Kaiser ist im „Buch für
Alle", Jahrgang 1867, 1868, 186g und 1870 enthalten. Wir
hier die Fortsetzung und somit nach nnd nach die voll-
Nandrge Geschichte des deutschen Reichs und sämmtlicher
deutschen Kaiser zugleich mit deren Porträts.

verherrten und ausgesogenen deutschen Reiche, so^
vermochte er doch nicht, dem wahnsinnigen Rauben
und Metzeln sofort Einhalt zu thun. Die In-
teressen der einzelnen kriegführenden Mächte waren
zu verschiedenartig, um sich allgemein vereinigen
zu lassen, und dann stand es auch überhaupt in
keines Menschen Macht. So dauerte deun der
Krieg unter ihm noch eine geraume Zeit fort, ja
Lei der immer größeren Verwilderung der Solda-
teska unter noch ärgeren Greueln und Verwüstun-
gen als vorher. Endlich aber, als die Schweden
glänzende Siege errangen und keine Partei we-

Galerie der deutschen Kaiser. *)
Von Wilhelm Hrönau
(Fortsetzung.)
XI.II.
Ferdinand III.
Dieser Kaiser, der älteste Sohn Ferdinands II.,
schon bei dessen Lebzeiten gewählt wurde, war
milderen Sinnes als sein Vater; dazu hatte er
auf einigen Feldzügen das unbeschreibliche Elend
des Krieges, den Jammer und die Verwüstung
in den deutschen Landen aus eigener Erfahrung
nnd Anschauung kennen gelernt. Doch wie sehr
auch zum Frieden geneigt und wie groß und all-
gemein das Verlangen danach in dem unglücklichen,

sentliche Vortheile mehr zu gewinnen vermochte
war Alles zum Frieden geneigt. Im Jahre 1643
trat zu Münster und Osnabrück der Kongreß zu-
sammen, aus welchem 1648 der sogenannte west-
phälische Friede hervorging. Das unglückliche
Deutschland mußte die Zeche bezahlen. Die Bis-
thümer Metz, Toul und Verdun sowie das Elsaß
mit Ausnahme Straßburgs fielen für die geleistete
Hilfe an Frankreich, der größte Theil von Pom-
mern nebst den Bisthümern Bremen und Verdnn
an Schweden; die Niederlande trennten sich vom
Reiche, die Unabhängigkeit der Schweiz ward
feierlich anerkannt. So hatte unser Vaterland
gegen zweitausend Quadratmeilen mit fünf Mil-
lionen Menschen eingebüßt. Die beiden Kirchen
erhielten gleiche Berechtigung, die Landesherren, das
Reformationsrecht. Was
schlecht an diesem Friedens-
traktate war, wurde ge-
halten, was gut daran
war, bei jeder Gelegenheit
rücksichtlos übertreten. Die
schlimmste Folge aber war,
daß die Kaiserkrone so gut
wie zerbrochen wurde. Die
Landessürsten wurden als
völlig unabhängig aner-
kannt, und das Reich nun
in viele besondere Staaten
zerspalten, deren jeder seine
eigene Regierung hatte,
ward für eine bloße Kon-
föderation erklärt, die sich
nur gewissen, dem Ganzen
und dem Kaiser übertra-
genen Rechten der Ober-
herrschaft unterwarf. Dem
Kaiser war in Verbindung
mit den zweihundert und
vierzigstimmsahigenReichs-
ständen weiter nichts als
die Leitung der Reichs-
geschäfte geblieben. Eine
Abhängigkeit der Landes-
fürsten zeigte sich nur noch
in ihrer Unterwerfung unter
das Reichskammergericht,
bei dem von ihren Mit-
ständen und Unterthanen
gegen sie geklagt werden
konnte. Deutschland hatte
die Folgen davon von die-
sem westphälischen Frie-
densschlüsse bis zu dem
Augenblicke, Äo Napo-
leon I. den deutschen Kai-
serthron vollends zertrüm-
merte, schwer und bitter
zu empfinden.
Die Fremden machten
sich die Zerrissenheit des
Reiches, den schleppenden,
schwerfälligen Gang der
Reichsverhandlungen trefflich zu nutze. Dies be-
weisen am besten die ungestraften Raubzüge Lud-
wigs XIV. von Frankreich, die Verhöhnung und
Ausbeutung Deutschlands auch durch so schwache
Nachbarn, wie Holland und Dänemark, die Schmach
des Rheinbundes und die fast widerstandslose Erobe-
rung unseres Vaterlandes im Jahre 1806 durch die
Franzosen. Auch' das geistige Leben des armen
zersplitterten deutschen Reiches erhielt durch diese
Wendung des Krieges eine beklagenswerthe Rich-
tung. Schlimmer als alles äußere Unheil, das
der Krieg gebracht: die Vernichtung von Hab
und Gut, Zerstörung der Gewerbe, Lähmung des
Handels und Verkehrs, war, daß die alte Zucht
und Tüchtigkeit durch die Unsittlichkeit desselben
verschwand, daß mit dem politischen auch das
selbstständige geistige Leben Deutschlands darnicdcr-

kominen dürfte und die meisten zärtlichen Mütter!
würden wahrscheinlich gegen dieselbe proteftircn. Nach-
dem das zu der Taufe zu verwendende Wasier ge-
segnet ist, besprengt der russische Priester das Kind
nicht etwa, wie dies bei den meisten christlichen Kir-
chen mit Ausnahme der schottischen geschieht, nur
mit einigen Tropfen Wasser, sondern er taucht es
dreimal, im Namen des Vaters, des Sohnes und
heiligen Geistes mit dem ganzen Körper in das
gefüllte Becken. Wenn auch ein oder der andere
Pope es damit vielleicht nicht so genau nimmt, so
wird doch, besonders auf dem Lande, meistens der
Säugling ganz untergetaucht. Nun übernimmt der
Pathe den zappelnden Täufling und hält ihn fest,
während der Pope denselben mit dem heiligen Oele salbt
und am Wirbel des Kopfes die Haare abschneidet,
W daß die kahle Stelle ein Kreuz bildet. Die Russen
scheinen demnach einen starken Haarwuchs zu besitzen,
bei uns kommt es häufig vor,
k ocht Tage alte Kinder
fast noch kahlhäuptig sind.
Nun, wir wollen anneh-
men unser junger Russe habe
alle bis jetzt geschilderten
Vorgänge vorschriftsgemäß
bestanden; denn jetzt erst kann
die feierliche Procession um
m Taufbecken beginnen.
Nach diesem Rundgange
Nimmt die Pathin den Täuf-
ling wieder in Empfang und
nun reicht der Pope dem¬
selben das Abendmahl in
beiderlei Gestalten, wie es
°ie russische Kirche bestehlt,
wobei er sich eines goldenen.
Löffels bedient. Jetzt erst
ist die Taufe zu Ende und
den vielen Verwandten und
Gästen nach zu schließen,
welche auf unserem Bilde
Srite 40 der heiligen Hand-
lung zufehen, wird nun ver-
mutlich ein kleines Fami-
lienfest, ein leckerer Schmaus
stattfinden, bei welchem die
Versammelten den kleinen
Iwan oder Nikolaus oder
wie er heißen mag, hoch
leben lassen. Die glückliche
Mutter aber trägt das Kind,
40 Tage nach der Geburt,
in die Kirche und legt es
an der heiligen Thüre nie¬
der, welche den Tempel von
dem innersten Hofraume ab¬
schließt, den nur die Prie¬
ster betreten dürfen. Der
Pope holt dort feinen Täuf¬
ling, umfchreitet mit ihm
dreimal den Altar, indem
er die fogenannte Cantate
der Reinigung absingt,
worauf die Mutter das
Kind nach Haufe trägt, in
dem frommen Glauben,
daß durch diese zweite „Ein-
segnung" nunmehr das Kind
vor allem Zauber und
Einflüsterungen Les Bösen
geschützt sei, in so lange
Niemand im Hause das Gebot Gottes verletze. Die
gemeinen Russen sind sehr abergläubig und fühlen
sich niemals ganz sicher vor dem Satan, so vielfach
sie sich auch gegen seine Ränke zu schützen suchen.
Die niedere Geistlichkeit der russischen Kirche ist fehr-
unwissend, sehr schlecht besoldet und größtentheils aus
bauliche Beschäftigung angewiesen, und ist daher an
Bildung dem Bauer nur sehr wenig überlegen; wo
der Pope den Aberglauben des Volkes nicht theilt,
hütet er sich doch, demselben entgegenzuwirken, da auf
Teufelsaustreibung und der Macht, böse Geister zu
bannen, welche der Priester nun einmal nach dem
Volksglauben besitzt, sein Ansehen hauptsächlich be-
ruht. lieber die wahrhaft thörichte Gespenfterfurcht
der gemeinen Russen wollen wir unsere Leser ein
anderesmal unterhalten. F- E. Sch.
 
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