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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 6.1871

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Heft 32
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https://doi.org/10.11588/diglit.44265#0427
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Auf ewig verloren.
Den Erlebnissen eines Anwalts
nacherzahlt
von
Iran; Lugen.
(Fortsetzung.)
Sie dankte mir mit ihrem
süßesten Lächeln und sagte leise:
„Dann nennen Sie mich auch
nicht mehr Käthchen, der Name
klingt so spießbürgerlich prosaisch,
nennen Sie mich Gulnare."
„Gern! aber Fräulein
Gulnare, das klingt schlecht."
„So lassen Sie das Fräu-
lein weg," versetzte sie erröthend
und zog, um ihre Verlegenheit
zu verbergen, einen kleinen Dolch
aus ihrem Gürtel, ihn mir mit
den Worten hinreichend: „Ist
das nicht eine schöne Arbeit?
Es ist das Geschenk eines russi-
schen Offiziers, der lange Zeit
im Hause meines Vaters, und
unter oessen Behandlung, an
seinen im Kaukasus erhaltenen
Wunden krank lag."
Ich bewunderte die feine,
damascirte Klinge, und den
goldenen, wie einen länglichen
Knopf geformten Griff, der mit
Steinen besetzt war. Scherzend
setzte sie die Spitze des funkeln-
den Stahles auf ihr Herz, und
ich, fürchtend, daß sie mit der
haarscharf geschliffenen Klinge
sich verletzen könnte, wollte ihr
den Dolch aus der Hand neh-
men, aber sie hielt das gefähr-
liche Spielzeug fest, und steckte
es, lachend über meine Aengst-
lichkeit, wieder in den Gürtel,
indem sie sagte: „Den Dolch
gebe ich nie in eine fremde
Hand, ich habe eine Ahnung,
daß er mich einst aus einer
großen Gefahr retten wird."


„Will Gulnare ihn vielleicht einst in eines
eifersüchtigen Gebieters Herz stoßen?"
Sie sah mich an, und jetzt war wieder das
dämonische Leuchten in ihren Augen. Statt zu
antworten recitirte sie die Worte aus dem Korsar:

„Fncl littls ckoom'cl llo rvllat tbz- lleart, Onluaro
FVbon 8okt coulä tsol, auä rvllou inoouseä rvoulck
äaro."
Ihre englischen Citate, die ich immer nur halb
verstand, waren durchaus nicht nach meinem Ge-
schmack, und ich suchte, nachdem
ich ein paar beifällige Worte
über die^ Verse ziemlich in's
Blaue hinein gesagt, die Unter-
haltung auf einen für mich siche-
reren Boden zu lenken, indem
ich sie über die geselligen Ver-
hältnisse von N . . ., über ihr
eigenes Leben und ihre Be-
ziehungen zu dem Hause Müller
ausfragte.
„Ach!" rief sie, „was kann
man darüber sagen? N . . .
kommt mir immer vor wie
Klein-China, und ich wundere
glich nur, daß wir noch keine
Mandarinen haben, denen wie-
der, wie in der guten alten
Zeit, „der Zopf hinten hängt."
Spießbürgerlicher, philisterhaf-
ter, als hier, kann man nir-
gends sein, allgemeine und
literarische Interessen kennt Nie-
mand, deshalb erregt das Thun
und Lassen des liebsten Nächsten
bei allen so einen lebhaften An-
theil, daß die Zungen der
Klatschschwestern in beständiger
Bewegung sind. Mich hecheln
sie immer durch, weil ich lieber
lese, als nähe, und in den
Werken der Dichter besser Be-
scheid weiß, als im Kochbuch.
Meine arme Mama bekommt
immer von den alten Basen
Stichelreden zu hören, daß sie
mir so viel Freiheit läßt und
nicht verlangt, daß ich am
Herde stehe und jede Woche ein
Dutzend Strümpfe stricke."
„Ein Pereat den Basen!"
rief ich lachend, und hielt ihr
mein Glas hin, an das sie das
ihrige klingen ließ.
F

Prlttjkhlu Lmitz'r von Euftliiun (2. 429.)
 
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