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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 65.1933

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.52834#0145
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6 .... (l 16 U tft
Runensteinen, an Schmuck- und Wehrgegenständen sowie an Pferdegeschir-
ren der alten Germanen, alle beziehen sich auf die Verehrung der Sonnen-
gottheit. Ungeklärte, geheimnisvolle Beziehungen bestehen dabei zwischen
der Alten und der Neuen Welt. Die Orte, an denen solche Bilderschriften
vorkommen, waren, wie man annimmt, geweihte Stätten, geschaffen zu
religiösen Handlungen und Gebräuchen. Der Vierfüßler auf den kalifor-
nischen Bilderflächen würde sich dann als das Bildnis des Opfertieres er-
klären lassen, auch die riesige Größe der Figuren könnte dafür sprechen.
Stellten doch auch die Griechen ihre Götter in überlebensgroßen Ausmaßen
dar, und die Buddhastandbilder sind heute noch übermenschlich groß.
Welches Volk mag nun diese wunderlichen Figuren geschaffen haben?
Es muß wohl ein Volk gewesen sein, das schon eine gut ausgebildete
Bilderschrift hatte, das auch im Entwerfen sehr großer Zeichnungen sicher
war, ein Volk, das schon die Wirkung berechnen konnte, welche diese

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Hellen Flächen Hervorrufen würden, obwohl es sie nie in ihrem vollen
Ausmaß von oben betrachten konnte. Die eigenartige Arbeitsweise, durch
Fortnehmen der dunkeln Kiesel Helle Flächen zu schaffen und ihnen Ge-
stalt zu geben, läßt auf eine beachtliche kulturelle Höhe schließen. Zur
Klärung der Bedeutung der Figuren würde die Bestimmung ihres
Alters wesentlich beitragen. Dazu beabsichtigt man, die Kiesel an andern
Stellen zu entfernen und dadurch festzustellen, um wieviel Heller dort der
Boden gegenüber den Flächen der Bilder ist, die viele Jahrhunderte lang
Wind und Sonne ausgesetzt waren. Aus dem Farbgrad könnten gewisse
Rückschlüsse auf das Alter gezogen werden. Verwunderlich ist es im Zeit-
alter des Verkehrs, daß diese Bilderzeichen so lange unentdeckt bleiben
konnten. Das Flugzeug scheint sich bei der Entdeckung von Altertümern
immer mehr zu bewähren, nachdem es sich bereits durch die Aufsuchung
von Ruinen aus der Mayazeit verdient gemacht hat. Dr. E. Seeger


/ Äon Smff

schenk vorläufig beiseite zu stellen und keinem Menschen etwas davon
zu sagen, bis Onkel Jonathan käme.
Und eines schönen Tages geschah das Unfaßliche. Ein Brief kam, der
meldete, daß der Onkel bereits unterwegs sei, um seine einzigen Ver-
wandten noch einmal zu sehen. Der große Tag kam heran, Mama Kliem-
chen kratzte das letzte Geld zusammen, um ein besonders gutes Abend-
essen für den hohen Gast zu bereiten, Kasimir saß würdevoll zurückgelehnt
in seinem Sessel und erklärte, er hätte natürlich wieder einmal recht
behalten, und die Kinder vergewisserten sich zum fünfzehnten Male, daß
das Geschenk noch in alter Frische und Schönheit strahlte.
Onkel Jonathan kam. Er war ein alter, mißtrauischer Herr mit ledernem
Gesicht und verbissenem Ausdruck, mit einer unglaublich schlechten
Laune und einer Zunge, die mit dem Gift einer Klapperschlange ge-
tränkt schien.
„Ich nehme an", sagte er beim Essen und sah Kasimir und Frau durch-
dringend an, „ihr wartet nun mit einiger Ungeduld darauf, daß ich endlich
sterbe und euch mein Geld hinterlasse, wie? Hast du überhaupt schon mal
gearbeitet?" wandte er sich an Kasimir.
„Aber, liebster Onkel", sagte Madame Kliemchen und legte ihm zum
drittenmal auf, „wie kannst du nur so etwas denken!"
„Ich habe noch nie von armen Verwandten gehört", grunzte der Onkel,
„die nicht den Tod irgend eines unglücklichen reichen Onkels sehnlichst
herbeiwünschten, um ihn zu beerben."
In diesem Augenblick flüsterte der kleine Benno seiner Mama etwas
ins Ohr, worauf ihr Gesicht zu strahlen begann, und laut sagte sie: „Denkt
doch mal, unsere beiden kleinen Lieblinge haben ihre ganze Sparbüchse
geopfert, um ihrem Onkel ein Geschenk zu kaufen." Kasimir hatte Tränen
der Rührung in den Augen, als er seine Sprößlinge ansah, und selbst
der Onkel machte ein besänftigtes Gesicht.
Und dann traten die Kinder stolz ein, einen großen Karton in den Händen.
Sie marschierten auf den Onkel zu und hoben den Deckel ab. Doch als
er einen Blick auf den Inhalt geworfen hatte, nahm sein Gesicht eine
beängstigende Färbung an. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, brachte
jedoch keinen Ton hervor und fuchtelte
nur erregt mit den Händen in der
Luft herum. Dann kam Mama Kliem-
chen, sah den Inhalt und fiel in Ohn-
macht. Nun erblickte Kasimir das Ge-
schenk, setzte sich in einen Sessel und
begann leise, aber ausgiebig zu fluchen.
Onkel Jonathan erhob sich und verließ
wortlos das Haus. Er kehrte dann nach
Amerika zurück, und kein Lebenszeichen
von ihm drang zu seiner Verwandtschaft.
Nur die Kinder hatten die Sachlage
nicht ganz erfaßt. Sie standen dem
Auftritt verständnislos gegenüber.
Sie hatten doch ein so schönes Ge-
schenk erstanden: es war ein Kranz von
wunderschönen weißen Wachsblumen,
haltbar auf Jahre hinaus, mit einer
großen schwarzen Schleife, auf der in
silbernen Buchstaben stand: Unserm
lieben Onkel.

ilI^asimir Kliemchen war durch und durch Poet, was sich praktisch so
iV^auswirkte, daß er nie Geld hatte. Seine fein empfindende Seele
haßte die Widerwärtigkeiten und das Gewöhnliche des täglichen Lebens
derartig, daß er eine Scheu davor hatte, Aufträge oder gar eine feste
Stellung für längere Zeit anzunehmen. Wie es Frau Kliemchen fertig-
brachte, sich selbst, ihn und die beiden kleinen Kliemchens täglich satt zu
machen und einigermaßen zu kleiden, blieb ein Rätsel, das zu lösen er
sich nicht die Mühe machte.
Aber Kasimir lebte in der Hoffnung auf kommende bessere Zeiten, und
diese Hoffnung war ein alter, steinreicher Onkel in Amerika, der keinen
Anhang weiter besaß als eben Kasimir und Familie.
„Warte nur, bis Onkel Jonathan kommt", pflegte Kasimir zu seiner
Frau zu sagen, wenn sie wieder einmal zaghaft versuchte, ihn zur An-
nahme einer Stellung zu bewegen, „nur abwarten! Dann wirst du so viel
Geld bekommen, daß es dir direkt unangenehm ist. Ich kenne doch meinen
guten, alten Onkel Jonathan. Er wird eines Tages plötzlich erscheinen,
wenn wir ihn gar nicht erwarten. Und dann werden alle unsere Sorgen
ein Ende haben."
Wenn die beiden kleinen Kliemchens diese Unterhaltung ihrer Eltern
mitanhörten, pflegten sie in ihrer kindlichen Ungeduld zu fragen: „Aber
wann kommt denn der Onkel endlich?" Und ihre Mutter pflegte zu ant-
worten: „Vielleicht niemals." Dann verließ Papa Kliemchen, dessen zartes
Gemüt auf Streitereien keinen Wert legte, stumm, aber widerspruchsvoll
das Zimmer. Doch die Kinder glaubten nach wie vor fest an das Erscheinen
des sagenhaften Onkels. —
„Weißt du was", sagte eines Tages der kleine Benno zu seiner Schwester
Karen-Jngeborg, „wie wäre es, wenn wir das Geld, das wir geschenkt
bekommen, zusammensparten und dafür ein Geschenk für Onkel Jonathan
kauften?"
„Aber was sollen wir ihm denn schenken?" fragte Karen-Jngeborg,
„vielleicht eine lange Pfeife mit einer dicken Troddel dran?"
„Ja, aber vielleicht raucht er gar nicht."
„Oder ein Paar warme, gefütterte Hausschuhe?"
„Wir wissen doch nicht seine Schuh-
nummer", sagte der kleine Benno, der
ein außerordentlich aufgeweckter und
praktischer Bursche war. Dank der Frei-
gebigkeit einiger alter Tanten, die ab
und zu das Haus heimsuchten, konnten
sich die beiden eine Sparbüchse anlegen,
in der es bald verheißungsvoll klapperte.
Aber sie waren sich immer noch nicht
einig, was sie dem guten Onkel kaufen
sollten.
Da kam eines Tages der kleine Benno
in Heller Aufregung nach Hause. Er hatte
etwas Wundervolles gesehen, gerade ein
passendes Geschenk für Onkels, und das
Geld in der Sparbüchse reichte auch
aus dafür. Am Nachmittag brachte er
einen großen Karton und ließ seine
Schwester einen Blick hineinwerfen, was
sie zu Ausrufen des Entzückens veran-
laßte. Dann beschlossen beide, das Ge-
 
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