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sicher getroffen und die Form überall Reissig ausgearbeitet. Hinter diesen
Vorzügen stellt die Wiedergabe der Körperverhältnisse, in welchen störende
Schwankungen Vorkommen, etwas zurück: die Arme sind nämlich zu
lang gerathen und die Hände zu gross. Diese Merkmale der Eigenart
des uns unbekannten Künstlers zeigen sich am deutlichsten an diesem,
daher zuerst besprochenen Relief und kehren auch auf allen übrigen,
an der Decke dargestellten Szenen wieder. Gegenüber von Abrahams
Glaubensprüfung nimmt die Verheissung von der Geburt Isaaks das zweite
Mittelfeld ein. Während der Erzvater die drei Engel an einem Tische
ehrerbietig bewirthet, lauscht Sarah, deren hohes Alter der Künstler in
der Haltung des Körpers und durch magere, hässliche Gesichtszüge trefflich
zum Ausdruck gebracht hat, an der Thür der Hütte; zwischen beiden
Gruppen, die durch perspektivische Mittel auseinander gerückt sind, ist
der geistige Zusammenhang in lebendiger Weise durch die Figur des
auf der linken Seite stehenden Engels, welcher sich lebhaft zu Sarah hin-
wendet, hergestellt. Im Hintergründe sieht man in wmiter Ferne die drei
Engel weiterziehen. Die Tracht der Figuren ist antikisierend, nicht etwa
diejenige der deutschen Renaissance, welche damals noch für alle biblischen
Darstellungen gebräuchlich war. Für letzteres ist in demselben Zimmer
ein ausgezeichnetes Beispiel vorhanden in einem vortrefRich erhaltenen,
niedrigen, grünen Kachelofen, der, an der Vorderseite auf einem reich
verzierten konsolartigen Untersatze von grauem Sandstein sitzend, mit
vier schönen, früher theilweise vergoldeten Reliefs geschmückt ist. In
reicher architektonischer Umrahmung mit einer Fülle von phantastischen
Renaissancemotiven erblicken wir auf dem einen die beiden Alten, unter
einem Baume versteckt, die badende Susanna beobachtend, dann die Auf-
Rndung Mosis und zweimal, nach derselben Hohlform gebrannt, den die
Stadtthore von Gasa forttragenden Simson.
Die vier Eckfelder enthalten Szenen aus dem Buche Tobiae: an
der Ecke der Höllgasse beginnend, die Erblindung des Tobi. Tobi
liegt auf einem Strohlager vor seiner Hütte in tiefem Schlafe, über seinem
Haupte sitzen im Dachgebälke die unheilbringenden Vögel. Die Szenen
im Hintergründe bedeuten: rechts, das Festmahl mit dem die Nach-
richt bringenden Sohne; in der Mitte, die Kleidung von Armen; links,
die Beerdigung des Erschlagenen. Das nächstfolgende Feld ist der
Komposition nach das beste: Der blinde Tobi, im Lehnstuhl sitzend, ist
in zorniger Aufregung über Anna, welche mit dem geschenkten Ziegen-
böcklein vor ihm steht. Der qualvolle seelischeZustandTobis, welcher unwillig
beide Hände gegen die Brust drückt, ist vom Künstler mit Meisterschaft
deutlich wiedergegeben; im Hintergründe erhebt sich ein kleiner Seiten-
bau, in welchem man Anna Lohndienste verrichten sieht. Dann folgt die
Absendung des jungen Tobias: Die HauptRguren sind hier die Eltern und
der Engel Raphael, während Tobias, ganz rechts im Mittelgründe, in
jugendlicher Ungeduld schon vorausgeeilt zu sein scheint und vor dem
sicher getroffen und die Form überall Reissig ausgearbeitet. Hinter diesen
Vorzügen stellt die Wiedergabe der Körperverhältnisse, in welchen störende
Schwankungen Vorkommen, etwas zurück: die Arme sind nämlich zu
lang gerathen und die Hände zu gross. Diese Merkmale der Eigenart
des uns unbekannten Künstlers zeigen sich am deutlichsten an diesem,
daher zuerst besprochenen Relief und kehren auch auf allen übrigen,
an der Decke dargestellten Szenen wieder. Gegenüber von Abrahams
Glaubensprüfung nimmt die Verheissung von der Geburt Isaaks das zweite
Mittelfeld ein. Während der Erzvater die drei Engel an einem Tische
ehrerbietig bewirthet, lauscht Sarah, deren hohes Alter der Künstler in
der Haltung des Körpers und durch magere, hässliche Gesichtszüge trefflich
zum Ausdruck gebracht hat, an der Thür der Hütte; zwischen beiden
Gruppen, die durch perspektivische Mittel auseinander gerückt sind, ist
der geistige Zusammenhang in lebendiger Weise durch die Figur des
auf der linken Seite stehenden Engels, welcher sich lebhaft zu Sarah hin-
wendet, hergestellt. Im Hintergründe sieht man in wmiter Ferne die drei
Engel weiterziehen. Die Tracht der Figuren ist antikisierend, nicht etwa
diejenige der deutschen Renaissance, welche damals noch für alle biblischen
Darstellungen gebräuchlich war. Für letzteres ist in demselben Zimmer
ein ausgezeichnetes Beispiel vorhanden in einem vortrefRich erhaltenen,
niedrigen, grünen Kachelofen, der, an der Vorderseite auf einem reich
verzierten konsolartigen Untersatze von grauem Sandstein sitzend, mit
vier schönen, früher theilweise vergoldeten Reliefs geschmückt ist. In
reicher architektonischer Umrahmung mit einer Fülle von phantastischen
Renaissancemotiven erblicken wir auf dem einen die beiden Alten, unter
einem Baume versteckt, die badende Susanna beobachtend, dann die Auf-
Rndung Mosis und zweimal, nach derselben Hohlform gebrannt, den die
Stadtthore von Gasa forttragenden Simson.
Die vier Eckfelder enthalten Szenen aus dem Buche Tobiae: an
der Ecke der Höllgasse beginnend, die Erblindung des Tobi. Tobi
liegt auf einem Strohlager vor seiner Hütte in tiefem Schlafe, über seinem
Haupte sitzen im Dachgebälke die unheilbringenden Vögel. Die Szenen
im Hintergründe bedeuten: rechts, das Festmahl mit dem die Nach-
richt bringenden Sohne; in der Mitte, die Kleidung von Armen; links,
die Beerdigung des Erschlagenen. Das nächstfolgende Feld ist der
Komposition nach das beste: Der blinde Tobi, im Lehnstuhl sitzend, ist
in zorniger Aufregung über Anna, welche mit dem geschenkten Ziegen-
böcklein vor ihm steht. Der qualvolle seelischeZustandTobis, welcher unwillig
beide Hände gegen die Brust drückt, ist vom Künstler mit Meisterschaft
deutlich wiedergegeben; im Hintergründe erhebt sich ein kleiner Seiten-
bau, in welchem man Anna Lohndienste verrichten sieht. Dann folgt die
Absendung des jungen Tobias: Die HauptRguren sind hier die Eltern und
der Engel Raphael, während Tobias, ganz rechts im Mittelgründe, in
jugendlicher Ungeduld schon vorausgeeilt zu sein scheint und vor dem