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Instytut Sztuki (Warschau) [Hrsg.]; Państwowy Instytut Sztuki (bis 1959) [Hrsg.]; Stowarzyszenie Historyków Sztuki [Hrsg.]
Biuletyn Historii Sztuki — 72.2010

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Nr. 1-2
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Jurkowlaniec, Tadeusz: Małpa, lew i paralityk: kilka uwag o dekoracji rzeźbiarskiej prezbiterium kościoła Mariackiego w Krakowie
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https://doi.org/10.11588/diglit.34904#0036
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30

TADEUSZ JURKOWLANIEC

Eine solche Praxis wurzelt noch in der Bildhauerei
der Antike. Ihre Anwendung in Krakau belegen die
Figuren der hl. Katharina [S. 1; HOh. 2] und der Ma-
ria mit dem Kinde [ES; H7/A 7]. Ist die Gróbe des
Steges an der Konsole [N.3.a] so beabsichtigt gewe-
sen und nicht etwa das Ergebnis eines vorzeitigen
Abbruchs der Bearbeitung dieses architektonischen
Ziereiements? War dann die Lagę der Hand der dar-
gesteiiten Junglingsfigur so sehr von Bedeutung, dab
man sich gezwungen sah, hierfur ein derart auffallen-
des Konstruktionselement einzusetzen? Oder ging es
etwa um eine Demonstration der handwerkiichen
Vorgehensweise zwecks Erzieiung bestimmter Er-
gebnisse? Trifft die zweite Mógiichkeit zu, so ist die
dahinter stehende Absicht heute nicht mehr nachzu-
vollziehen. Hóchstwahrscheinhch jedoch ist dieses
Detai! ein Zeugnis bur das niedrige Niveau des hand-
werkłichen Kónnens, die Foige eines mangelhaEen
Entwurfs oder eines Fehlers wahrend der bildhaueri-
schen Bearbeitung der Konsole. Die Aufgabe, einen
sich wahrend des Gangs drehenden Menschen dar-
zustellen, der zudem auch noch eine proElierte Kon-
sole stutzt, uberforderte die handwerkliche Fertigkeit
des ausfuhrenden Bildhauers. Wie schwierig eine sol-
che Aufgabe war, bezeugt nicht zuletzt die auf der
Konsole [N.3.b; AZ/A 7, 73-70] dargestellte Frauen-
gestalt, bei der es sich offenbar um das Produkt einer
geubteren Hand handelt. Die Gestalt, die sich zu dem
in ihre Richtung schreitenden und plótzlich ais ob um-
kehrenden Jungling wendet, stutzt mit ihrem Gesab
und ihren Schultem die Konsole. Die Frau wird so
gezeigt, dab es auf den ersten Blick nicht klar ist, ob
sie schwanger ist oder etwa durch die Zurschaustel-
lung ihrer betrachtlichen Bauchwólbung und die
Handgestik ihre weiblichen Reize prasentiert. Der
schlechte Erhaltungszustand der Skulptur erschwert
dereń Interpretation, doch scheint es dennoch deut-
lich zu sein, dab sie eine Verlockung gegenuber dem
in ihre Richtung impulsiv ziehenden Jungling dar-
stellt, der es sich auf einmal doch anders uberlegt.
Angesichts der Schwierigkeiten mit der Interpre-
tation der auf den Konsolen dargestellten Figuren
iiberlegte ich, ob ihr Verhalten und ihre Beschafti-
gung der naturlichen Funktion dieser architektoni-
schen Elemente entsprechen. Unter diesem
Gesichtspunkt unterschied ich zwei Gruppen von
Werken. In der ersten Gruppe besteht kein Zusam-
menhang zwischen den Aktionen der gezeigten Ge-
stalten und der jeweiligen Konsole ais solcher. Der
Schaft der Konsolen bildet hier in kunstlerischer
Hinsicht lediglich den Hintergrund fhr die Aktionen
der Figuren. In der zweiten Gruppe fasse ich die vier
Konsolen mit ais Atlanten dargestellten Figuren zu-
sammen. Darstellungen von Personen, die eine Last
tragen oder stutzen, sollten - wie sie am hauEgsten
gedeutet werden - das Yerhaltnis der Unterordnung,

einen freiwilligen Akt der Unterstutzung oder Mitwir-
kung, andererseits aber auch eine ais Bestrafung auf-
erlegte Tatigkeit bildlich zum Ausdruck bringen
(Anm. 71). Mannliche Atlanten versteht man ubli-
cherweise ais Abbilder der mit der Errichtung des
Gebaudes betrauten Personen. Viel schwieriger ist es,
eine weibliche Gestalt dieser Art zu interpretieren.
Zwar finden sich unter den Baumeisterbildnissen
auch solche, bei denen der Baumeister von seiner
Ehefrau begleitet wird, doch handelt es sich dabei fast
ausschlieblich um BiistenEguren, die keinerlei stiit-
zende Funktion ausiiben (Anm. 74). Sollte es sich tat-
sachlich bei unseren Krakauer Konsolen um Dar-
stellungen dieses Typus' handeln, so suggerieren das
Verhalten der Figurenpaare sowie ihre Plazierung im
westlichen Joch des Chores [N.4.a; S.4.b; AZ/Z/. 7,
73, 7J] und unter dem Krónungsgesims der Nord-
wand [N.3.a & b; AZ/Z/. 7, 70-70] zwei gegensatzli-
che Auffassungen von den Pflichten und Aufgaben
eines Baumeisters sowie von der Rolle, die hierbei
Frauen spielen (kónnen).
Will man kunftig einen Versuch wagen, das ge-
samte Skulpturenensemble ikonographisch neu zu in-
terpretieren, so muh dabei die Szene [N.3; AZ/A 20]
Berucksichtigung Enden. Sieht man darin ein Abbild
des Bestiariumtextes, so sollte das Lówenjunge nach
drei Tagen aufleben, was symbolisch fur die Aufer-
stehung Clnisti stand (Anm. 48). Berucksichtigt man
nun die mittelalterliche Zahlensymbolik und rechnet
drei Konsolen vom Schlubstein [N.3] zuruck, trifft
man auf die Darstellung des An/n///g.s' ,S7ni.so/i.s' /n/7
(7<?w Zdwen [S.4.a; 7, 27], die fur den Sieg Chri-
sti tiber Satan und den Tod steht und zum Typus der
7Zó7/gą%2/zA gehórt. Die Richtigkeit einer sołchen
Uberlegung scheint durch die Szene auf dem Schlub-
stein des dritten Fensters [NE; ZZA 7, 70) - in die
umgekehrte Richtung gerechnet - bestatigt zu wer-
den, die ais eine Darstellung der Hólle verstanden
wird. Konsequenterweise mubten in diese Erwagun-
gen nicht minder zwei weitere Elemente eingeschlos-
sen werden: die Konsole [N.2.a] mit der beschadigten
Darstellung des Junglings, die wohl falschlicherweise
ais PersoniEzierung des Ggizes' bezeichnet wird, so-
wie der Schlubstein [S.3; HOh. 4] mit dem Abbild ei-
nes Bischofs, der von manchen Forschem ais der
Bischof von Krakau in seiner Rolle ais Inhaber der
Patronatsrechte uber die Marienkirche, von anderen
wiederum ais hl. Stanislaus oder hl. Nikolaus gedeu-
tet wird. Der vorgeschlagenen Ablesungsweise der
Ikonographie der Bauskulptur des Chores sollte in-
dessen eine detaillierte Untersuchung aller librigen
Skulpturen der Marienkirche vorausgehen, was sich
angesichts ihres schlechten ErhalEmgszustands ais
eine uberaus schwierige Aufgabe eiweisen durfte.
4 u.s* Agw Po/nAcAgn
00g/-,s'g/z/ von Rh/Ag/n u/* A7o.s'c/'gA/
 
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