MAŁPA, LEW I PARALITYK
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J&y CAor^j Jpr Af^rf^nł/rc/z^
Ais das Hauptwerk der gotischen Bauskulptur in
Kleinpolen gilt das Ensemble des Chors der Krakau-
er Marienkirche (um 1355-1360), das sich aus ver-
schiedenen Egurlichen und floralen Darstellungen
am AuBeren dieses Baukórpers zusammensetzt. Im
yorliegenden Aufsatz beschaEige ich mich mit den
auf den FensterschluBsteinen [S.4; N.4; Abb. 7], auf
der Konsole [N.3.a] sowie auf dem SchluBstein
[N.3] dargestellten Gestalten.
Die Gestalt [S.4; Abb. 7, 3, 73] wurde unterschied-
lich interpretiert. Fruher wollte man sie aufgrund ih-
res eigenartigen Antlitzes ais ein Bildnis oder eine
Kankatur sehen; sie wurde auch immer wieder ais das
Abbild eines Damons oder eines Affen bezeichnet.
Die Forscher beachteten indessen die auffallige Fage
ihrer Beine nicht, bei denen sich der rechte FuB auf
das linkę Knie stutzt. Die Plastik ist zwar beschadigt -
es fehlen ein Teil des gehobenen FuBes sowie Teile
beider Hande - es ist aber dennoch anzunehmen, daB
es sich hier um eine Nachahmung des aus der Antike
bekannten Motivs des Domausziehers
handelt. Heute wird dieses Motiv ais Allegorie des
menschlichen Strebens nach Erlósung gedeutet (Anm.
26-33). Der Krakauer Domauszieher interessiert sich
indessen nicht fur den gehobenen FuB. Vielleicht soli
auf diese Weise ein seiner Fage nicht bewuBter Sun-
der dargestellt werden, der eine Aussicht auf Erlósung
hat, jedoch zunachst seine Sunden erkennen und tiber-
winden muB, die ihn auf den benachbarten Kragstei-
nen [S. 1 .a; S.2.a i b; S.3.a i b; A66. 7, 6] umschwirren
(yielleicht mit Hilfe des Bischofs vom SchluBstein
[S.3;A6b. 7, 4] ais geistlichemBeistand). Demgegen-
uber finden sich nachahmungswurdige Vorbilder auf
den SchluBsteinen [S.2. - Christophorus; A66. 7, 3]
und [S. 1. -hl. Katharina, Abb. 7, 2], In einer weiteren
Szene wird die Vision der Erlósung durch Christus
[E; A66. 7, 3] dargestellt, wobei Maria ais Titelheilige
der Kirche und zugleich Mittlerin auftritt [SE; AM. 7,
7]. Das Gegenstuck zu der Figur [S.4; AM. 7, 3, 73]
bildet eine Gestalt, die ais Abbild des Teufels, Perso-
niEzierung der Selbstbeherrschung oder allgemein
eine Darstellung des Bósen gedeutet wird [N.4; AM.
7, 9, 73]. Im Gegensatz zur Gestalt [S.4] hat der Stin-
der [N.4] nicht vor, den Weg der Besserung zu be-
schreiten, wodurch er sich selbst den ewigen Qualen
ausliefert, die von den Fenstem [NE, N.2; AM. 7, 76,
72] aus bedrohlich auf seine unheilvolłe ZukunE hin-
weisen. Das sundenfreie Feben erfordert Aufopfe-
rung, zuweilen auch Heldenmut, wovon ein gutes
Zeugnis die Geschichte Simsons und seines Kampfes
mit dem das Bose symbolisierenden Fówen gibt
[S.4.a;AM. 7, 73].
Auf der Konsole [N.3.a; AM. 7, 74, 73-79] wollte
man einen „gebuckten Mann, der in den HuEen unna-
turlich geneigt ist und sich auf einem Stock stutzt" (s.
Anm. 10 „Droga...") erkennen und ihn samt der
Frauengestalt [N.3.b; AM. 7, 74, 73-79] sowie der
Szene im SchluBstein des Fensters [N.3; AM. 26] in
Zusammenhang mit der Prophezeiung Ezechiels (Ez
21,6; 22,25; 23,21; 23,34) interpretieren. Den
Schlussel zum Verstandnis der Szene [N.3], in der
ein „melancholischer" Lówenkopf und ein kleines
yierbeiniges Tier zu sehen sind, bildet eben dieses
kleine, scheinbar leblos liegende Tier. Es scheint
sich hierbei um den Hinweis auf eine der dem Ló-
wen in mittelalterlichen GelehrtenschriEen wie dem
P/zys-io/ogus* oder den Bestiarien zugeschriebenen
Eigenschaften zu handeln (s. Anm. 48).
Die Grundlage zur Bestimmung der physischen
Verfassung der Gestalt [N.3.a; A66. 74, 73-77] bil-
det dereń auffallende Kórperhaltung sowie der ais
Stock erkannte Gegenstand. Der Jungling von kraf-
tiger Statur schreitet entlang der Wand. Bei frontaler
Betrachtung ist er von der Taille abwaEs im ProEl
zu sehen, tief geneigt - gedrrickt von einer schweren
Last. Sein Oberkórper ist hingegen gerade ausge-
streckt und fast rechtwinklig nach rechts gedreht,
wahrend sich seine rechte Hand nach oben richtet
ais ob er etwas stutzen wollte. Dies ist jedoch nicht
die Konsole, da sich die Innenseite seiner „stutzen-
den" Hand zum Betrachter hin óffnet statt auf dem
Konsolenkórper aufzulegen, was móglicherweise ais
Hinweis auf die gerade erfolgte Beendigung der Ta-
tigkeit des Atlanten zu verstehen ist. Diesen Ein-
druck bestatigt die Lagę der linken Hand, die eine
Anderung der Bewegungsrichtung des Junglings
suggeriert. Diese so energisch auftretende Gestalt
interpretieEe man ais einen Paralytiker, worauf ein
Detail des Kragsteines - fur einen Stock gehalten -
hinweisen soli. Ein Gehstock ist jedoch ublicherweise
an seinem oberen AbschluB mit einem rnehr oder we-
niger auffallendem Griff yersehen oder weist eine ent-
sprechende Krummung auf (Anm. 60). Ais was wurde
also unsere Stutze eigentlich gedacht? Hierbei han-
delt es sich offensichtlich um einen der sog. Stege,
wie sie nicht nur in der mittelalterlichen Steinskulptur
zwecks Stiitzung stark hervortretender Partien ublich
waren. Man war bernuht, derartige Stutzen in rippigen
Kleiderdrappierungen zu verbergen oder gestaltete
sie ais Attribute oder Gegenstande des Hintergrunds.
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Ais das Hauptwerk der gotischen Bauskulptur in
Kleinpolen gilt das Ensemble des Chors der Krakau-
er Marienkirche (um 1355-1360), das sich aus ver-
schiedenen Egurlichen und floralen Darstellungen
am AuBeren dieses Baukórpers zusammensetzt. Im
yorliegenden Aufsatz beschaEige ich mich mit den
auf den FensterschluBsteinen [S.4; N.4; Abb. 7], auf
der Konsole [N.3.a] sowie auf dem SchluBstein
[N.3] dargestellten Gestalten.
Die Gestalt [S.4; Abb. 7, 3, 73] wurde unterschied-
lich interpretiert. Fruher wollte man sie aufgrund ih-
res eigenartigen Antlitzes ais ein Bildnis oder eine
Kankatur sehen; sie wurde auch immer wieder ais das
Abbild eines Damons oder eines Affen bezeichnet.
Die Forscher beachteten indessen die auffallige Fage
ihrer Beine nicht, bei denen sich der rechte FuB auf
das linkę Knie stutzt. Die Plastik ist zwar beschadigt -
es fehlen ein Teil des gehobenen FuBes sowie Teile
beider Hande - es ist aber dennoch anzunehmen, daB
es sich hier um eine Nachahmung des aus der Antike
bekannten Motivs des Domausziehers
handelt. Heute wird dieses Motiv ais Allegorie des
menschlichen Strebens nach Erlósung gedeutet (Anm.
26-33). Der Krakauer Domauszieher interessiert sich
indessen nicht fur den gehobenen FuB. Vielleicht soli
auf diese Weise ein seiner Fage nicht bewuBter Sun-
der dargestellt werden, der eine Aussicht auf Erlósung
hat, jedoch zunachst seine Sunden erkennen und tiber-
winden muB, die ihn auf den benachbarten Kragstei-
nen [S. 1 .a; S.2.a i b; S.3.a i b; A66. 7, 6] umschwirren
(yielleicht mit Hilfe des Bischofs vom SchluBstein
[S.3;A6b. 7, 4] ais geistlichemBeistand). Demgegen-
uber finden sich nachahmungswurdige Vorbilder auf
den SchluBsteinen [S.2. - Christophorus; A66. 7, 3]
und [S. 1. -hl. Katharina, Abb. 7, 2], In einer weiteren
Szene wird die Vision der Erlósung durch Christus
[E; A66. 7, 3] dargestellt, wobei Maria ais Titelheilige
der Kirche und zugleich Mittlerin auftritt [SE; AM. 7,
7]. Das Gegenstuck zu der Figur [S.4; AM. 7, 3, 73]
bildet eine Gestalt, die ais Abbild des Teufels, Perso-
niEzierung der Selbstbeherrschung oder allgemein
eine Darstellung des Bósen gedeutet wird [N.4; AM.
7, 9, 73]. Im Gegensatz zur Gestalt [S.4] hat der Stin-
der [N.4] nicht vor, den Weg der Besserung zu be-
schreiten, wodurch er sich selbst den ewigen Qualen
ausliefert, die von den Fenstem [NE, N.2; AM. 7, 76,
72] aus bedrohlich auf seine unheilvolłe ZukunE hin-
weisen. Das sundenfreie Feben erfordert Aufopfe-
rung, zuweilen auch Heldenmut, wovon ein gutes
Zeugnis die Geschichte Simsons und seines Kampfes
mit dem das Bose symbolisierenden Fówen gibt
[S.4.a;AM. 7, 73].
Auf der Konsole [N.3.a; AM. 7, 74, 73-79] wollte
man einen „gebuckten Mann, der in den HuEen unna-
turlich geneigt ist und sich auf einem Stock stutzt" (s.
Anm. 10 „Droga...") erkennen und ihn samt der
Frauengestalt [N.3.b; AM. 7, 74, 73-79] sowie der
Szene im SchluBstein des Fensters [N.3; AM. 26] in
Zusammenhang mit der Prophezeiung Ezechiels (Ez
21,6; 22,25; 23,21; 23,34) interpretieren. Den
Schlussel zum Verstandnis der Szene [N.3], in der
ein „melancholischer" Lówenkopf und ein kleines
yierbeiniges Tier zu sehen sind, bildet eben dieses
kleine, scheinbar leblos liegende Tier. Es scheint
sich hierbei um den Hinweis auf eine der dem Ló-
wen in mittelalterlichen GelehrtenschriEen wie dem
P/zys-io/ogus* oder den Bestiarien zugeschriebenen
Eigenschaften zu handeln (s. Anm. 48).
Die Grundlage zur Bestimmung der physischen
Verfassung der Gestalt [N.3.a; A66. 74, 73-77] bil-
det dereń auffallende Kórperhaltung sowie der ais
Stock erkannte Gegenstand. Der Jungling von kraf-
tiger Statur schreitet entlang der Wand. Bei frontaler
Betrachtung ist er von der Taille abwaEs im ProEl
zu sehen, tief geneigt - gedrrickt von einer schweren
Last. Sein Oberkórper ist hingegen gerade ausge-
streckt und fast rechtwinklig nach rechts gedreht,
wahrend sich seine rechte Hand nach oben richtet
ais ob er etwas stutzen wollte. Dies ist jedoch nicht
die Konsole, da sich die Innenseite seiner „stutzen-
den" Hand zum Betrachter hin óffnet statt auf dem
Konsolenkórper aufzulegen, was móglicherweise ais
Hinweis auf die gerade erfolgte Beendigung der Ta-
tigkeit des Atlanten zu verstehen ist. Diesen Ein-
druck bestatigt die Lagę der linken Hand, die eine
Anderung der Bewegungsrichtung des Junglings
suggeriert. Diese so energisch auftretende Gestalt
interpretieEe man ais einen Paralytiker, worauf ein
Detail des Kragsteines - fur einen Stock gehalten -
hinweisen soli. Ein Gehstock ist jedoch ublicherweise
an seinem oberen AbschluB mit einem rnehr oder we-
niger auffallendem Griff yersehen oder weist eine ent-
sprechende Krummung auf (Anm. 60). Ais was wurde
also unsere Stutze eigentlich gedacht? Hierbei han-
delt es sich offensichtlich um einen der sog. Stege,
wie sie nicht nur in der mittelalterlichen Steinskulptur
zwecks Stiitzung stark hervortretender Partien ublich
waren. Man war bernuht, derartige Stutzen in rippigen
Kleiderdrappierungen zu verbergen oder gestaltete
sie ais Attribute oder Gegenstande des Hintergrunds.