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Biller, Thomas
Die Adelsburg in Deutschland: Entstehung, Form und Bedeutung — München, 1998

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https://doi.org/10.11588/diglit.4980#0041
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Zusammenfassung: Kunstgeschichte und Adelsburg

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Steinverkleidung dieser Bastei etwas Unnötiges angebracht, etwa ein Seilornament, so ist
das Architektur.«

Aber- und daraufkommt es in unserem Zusammenhang an - »Kunst« als reine Applika-
tion des Militärischen mit seiner »Maschinenästhetik«: das ist eben Neuzeit und keineswegs
Mittelalter.95

Zusammenfassung: Kunstgeschichte und Adelsburg

Das Ergebnis der kurzen Betrachtung ist ein wenig überraschend, wenn wir uns an die zu
Anfang festgestellte Isolation der Burgenthematik von der Kunstgeschichte erinnern: trotz
der Randsituation erweisen sich die kunsthistorischen Denkansätze auf diesem Gebiet als
recht bestimmend für die allgemeine Richtung der Forschung. Freilich ist diese Feststellung
mit mindestens zwei wichtigen Akzenten zu versehen, die direkt miteinander zusammen-
hängen. Der Einfluß liegt fast ausschließlich auf der Ebene übergreifender Gesamtbetrach-
tungen - die das hohe, um 1920 von Dehio skizzierte Niveau leider früh eingebüßt haben. Er
hat daher, mindestens auf den ersten Blick, in jüngerer Zeit eher nachgelassen, weil die
Erforschung von Einzelbauten in den Vordergrund trat, für die die Mittel von Geschichte,
Bauforschung und Archäologie zunächst geeigneter scheinen.

Die populäre These der »staufischen Burg«, ein durchaus ikonologischer Ansatz, erweist
sich bei genauer Betrachtung als Erbe einer weit zurückliegenden Zeit, die die Wirkung
ihrer Interpretationen kaum aus historisch analytischem Vorgehen zu gewinnen pflegte,
sondern vielmehr aus suggestiv vereintachten, mystisch eingefärbten Bildern von
»Geschichte«. Was an welcher Burg in welchem Sinne eventuell »staufisch« sei - das bleibt
im Rahmen einer Fragestellung gänzlich neu zu ermitteln, die sehr viel grundsätzlicher auf
gesellschaftliche, politische und kulturelle Strukturen des Hochmittelalters zu zielen hat,
ebenso wie auf Einzelforschung zu Baugestalt und Datierung. Wissenschaftlich abgesi-
cherte Ansätze liegen in beiden Bereichen umfangreich vor, sind aber weit davon entfernt,
dem tief verwurzelten und wirkungsvollen Bild der »staufischen Burg« eine Alternative
von gleicher Klarheit entgegenzusetzen - ein vielleicht nie ganz erreichbares Ziel, das den
Versuch einer Annäherung aber dringend benötigt. Im Begriff der »Adelsburg« ist eine
neue Interpretation, die den Bautypus an eine mächtige gesellschaftliche Gruppe bindet,
von historischer Seite bereits recht intensiv angedacht und prägnant gefaßt worden, wie im
Weiteren zu zeigen sein wird. Aber es wird dabei auch deutlich werden, daß der Adel in der
hohen Komplexität seiner Zusammensetzung und Entwicklung einem schnellen Verständ-
nis als Schöpfer eines Bautypus größere Hindernisse entgegensetzt als ein leicht idealisierba-
res Herrscherhaus.

Die Ansätze der letzten Jahrzehnte, mittelalterliche Architektur in einem allgemeinen
Sinne als »Bedeutungsträger« zu erfassen, sind noch zu neu und zu sehr damit beschäftigt,
sich auf dem traditionellen Feld der mittelalterlichen Architekturforschung, dem Sakralbau,

M Womit nicht etwa ein Argument geliefert sein soll, den neuzeitlichen Festungsbau nun doch wieder
aus der Kunstgeschichte auszuschließen. Das Verhältnis von »Kunst« zu den oft einengenden
Bedingungen der Realität muri vielmehr auch hier noch viel stärker reflektiert werden. Verweise auf
die Leistungen etwa eines Vauban auch im Kirchenbau, aul die Tätigkeit eines Balthasar Naumann
oder Schinkel im Festungsbau müssen hier genügen, um anzudeuten, daß auch unter neuzeitlichen
Bedingungen keine hermetische Trennung der Bereiche entstand.
 
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