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Biondo, Michelangelo; Ilg, Albert; Ilg, Albert [Hrsg.]; Ilg, Albert [Übers.]
Von der hochedlen Malerei: Tractat des Michel Angelo Biondo (Venedig 1549) — Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 5: Wien: Wilhelm Braumüller, K.K. Hof- und Universitätsbuchhändler, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.70880#0070

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M. BIONDO, VON DER MALEREI.

und Nerven des Menschen, der Mastbaum das Rückgrat, die
Segelstangen seien die Knochen des Armes, der Mastkorb sei
die Hirnschale, die Segel seien die Brusttheile, der Ballast
endlich seien alle menschlichen Begierden und sein Pilot der
Nordstern, der Weg gehe nach dem Paradiese, zuweilen unter
Stürmen, und das Glück helfe ihm, dass es an dieses oder jenes
Ufer komme, dunkel und finster dasjenige, von dem es abfuhr,
aber jenes, wohin man zur Rettung zu gelangen hofft, leuchtend
und schön, wie es dem Paradiese geziemt. Das Uebrige malet,
wie es das Gemälde verlangt.

Von dem achten Gemälde.
Cap. 32.
Ich weiss wahrhaftig nicht, auf welche Weise ich das
achte Gemälde beschreiben soll, weil der Stoff sehr mannig-
faltig und dem Geiste höchst zuwider ist. Nichtsdestoweniger
bin ich entschlossen, euch es zu sagen auf die Weise, wie Gott
uns die Erscheinungen der Dinge eingibt, mit welchen sich der
menschliche Geist beschäftigt. Nachdem ihr also die Umfassung
des Gemäldes gemacht habt, so vertheilet die Dinge, welche
sich in dem Verstände ansammeln, in fünf Theile in die vier
Ecken und in die Mitte. In den ersten Theil machet eine blinde
Frau, welcher verschiedene Dinge dargeboten werden, wie Gold,
Silber und edle Steine, ohne dass sie ihr das Gesicht wieder-
geben. Auf der anderen Seite malet einen Richter im Tribunal,
nackt an Kleidern und an Wissen und vor ihm tausend Arme
und Bettler, welche mit einem Zuge ihrer Lumpen beraubt
werden und nackt dastehen, während sich dieselben in ein gol-
denes Gewand für den Richter verwandeln. Auf dem dritten
Platz machet einen reichen Kaufmann, der es aber nicht durch
seine guten Thaten ist, und Speicher voll der reichsten Waaren,
die aber gewissenlos erworben sind. Dann stellet dar einen
Hauptmann mit Soldaten mit tausend Waffenrüstungen, in
deren Gesellschaft sich die Günstlinge des kriegerischen Mars
befinden. Auf dem vierten Orte malet eine Witwe mit vielem
Geleite, alle in schwarzen Mänteln, unter denen aber kein
Mensch ist, der Mitleid fühlet. Rings um das Gemälde stellet
 
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