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Grommelt, Carl; Mertens, Christine
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens (Band 5): Das Dohnasche Schloss Schlobitten in Ostpreussen — Stuttgart: Kohlhammer, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48962#0149
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Louises, unter der das Relief über dem rechten Kamin erscheint, ist dabei „in dieser Zeit,
in der die Idee der Prodikoserzählung recht oft mit einer Muttervorstellung zusammen-
geflossen ist", nicht weiter verwunderlich234.
Die Bedeutung, die der Barock dem Inhaltlichen zugestand, mag die Ausführlichkeit der
ikonographischen Analyse dieser beiden Kaminreliefs rechtfertigen. Sie verdienen aber
auch um ihrer künstlerischen Qualität willen die besondere Würdigung, die Ulbrich235
ihnen zuteil werden läßt. Die klare Gliederung, die Vermeidung von Überschneidungen
und die Wahrung des Flächenstils trotz freier malerisch-räumlicher Anordnung führen hin
zu den Vorbildern, an die sich Kraus, der sonst eine kräftige Durchformung, auch bei
den Puttenreliefs an der Brüstung der Auffahrten bevorzugt, bei diesen Stuckreliefs an-
gelehnt hat. Eine Gruppe wie Virtus und Herkules oder auch die wie ein Flußgott gelagerte
Voluptas erinnern motivisch und in dem zarten Relief und den aufgelösten Konturen un-
mittelbar an antike, vornehmlich hellenistische Reliefdarstellungen oder deren Umbildung
auf italienischen Medaillen des Cinquecento230. Nach diesen zu zeichnen und zu bossieren
hat Kraus auf der Berliner Akademie der Künste die beste Gelegenheit gehabt. Bei Einzel-
heiten, selbst bei einer ganzen Figur, mag es sich sogar um direkte Kopie handeln, ohne
daß die Eigenleistung von Kraus dadurch in irgendeiner Weise herabgemindert würde.
Sie ist beachtlich und „deutet auf eine künstlerisch geschulte und begabte Hand hin"
(Ulbrich). Ursprünglich strahlend weiß — Kraus hatte von einer Vergoldung abgesehen —,
sind die Reliefs später mit einem schiefergrauen Anstrich versehen worden, wohl um Ver-
schmutzungen durch Rauch zu verdecken, und treten dadurch im Gesamtbild des Schlobitter
Saals leider weit mehr in den Hintergrund, als das nach barocker Auffassung, die gerade
dem Kaminaufbau besondere Bedeutung beimaß, zulässig ist.
Die vergoldeten Stuckbüsten Alexanders und Amaliens im Obergeschoß sind dem Stil
der Zeit für derartige Bildwerke entsprechend mehr repräsentativ als individuell, aber
flott modelliert und auf weiß verputzte Gesimssockel postiert. Diese erlaubten die An-
bringung von kleinen, vergoldeten allegorischen Reliefs, die auf das jeweilige Porträt Bezug
nehmen. So erscheint auf Alexanders Sockel eine Siegerehrung in genau derselben Art der
Darstellung und Figuration, wie sie — als Revers zu dem Porträt — auf italienischen
Medaillen der Renaissance, die wiederum auf antike Münzen zurückgehen, häufig vor-
kommt: Virtus (oder Bellona) mit Gloriole und Mars in Rüstung und behelmt, halten
einen Kranz über dem Kopf des sitzenden Siegers 237. Diese Anspielung ist, wie so häufig,
mehr indirekter Art und gilt ganz allgemein Alexander als Soldat und Offizier. Seine
Gemahlin wird geehrt durch eine Huldigungsszene, die gleichfalls antiker Kleinkunst
nachgebildet zu sein scheint.
Erwähnt man noch die gußeisernen Kaminplatten mit vollbusigen Halbfiguren in kräf-
tigem Relief, deren Verwandtschaft zu den Karyatiden unverkennbar ist, Stucktrophäen
neben und unter den Emporen und an Schnitzereien den vergoldeten Rahmen des Spiegels
gegenüber dem Wandbrunnen, die mit Trophäen beschnitzten Lambris unter den Oranier-
porträts, die reichgeschnitzten Umrahmungen der Königsporträts und schließlich die Fül-
lungen der Türen mit Köpfen von römischen Kaisern, Heerführern, Kriegsstücken und
dekorativen Zieraten, so ist damit die Bildhauerarbeit im Saal erfaßt. Unterstützt hat
Kraus bei der Ausführung der Bildhauer Richard Schränge aus Pillau, dessen schwer-

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