fälligere Hand sich an einigen Karyatiden erkennen läßt, der aber auch die dekorativen
Einzelteile, wohl nach Zeichnungen von Kraus, gemacht haben dürfte; so den Rahmen
für das Porträt Friedrich Wilhelm I., das erst 1714 eingereiht wurde. Für Vergoldungs-
arbeiten standen wiederum Schwan und Mey zur Verfügung.
Im Sommer 1711 konnte Schannes mit der Ausmalung der Decke beginnen, die ihm
in ihrer gesamten Ausdehnung bis herunter zum Hauptgesims und ohne jegliche archi-
tektonische Unterteilung zur Ausschmückung überlassen wurde. In Schlobitten befindet
sich das kleine Holzmodell, auf dem er seinen Entwurf, wie das bei großen Decken-
fresken üblich war, in Ölfarbe angelegt hat, um ihn dann al fresco auf den feuchten
Putz zu übertragen. Die Aufgabe, eine so große Fläche allein durch Malerei zu bewältigen,
war nicht leicht. Wenn sich das Ergebnis seiner, sich fast über zwei Jahre erstreckenden
Arbeit im Saal auch nicht mit den wirklich großen Deckenfresken des Barock vergleichen
läßt, so ist es doch, vor allem vom Programm her, das damals mindestens ebensoviel, wenn
nicht gar mehr bedeutete als der künstlerische Wert der Malerei238, eine erstaunliche, in
Ostpreußen völlig ohne Vergleich gebliebene Leistung, die den Blick immer wieder herauf-
holt zur Decke, wo auf dem Gesims scheinplastische Frauengestalten lagern, sich in der
Voute, hinter einer Balustrade ein Reigen buntgemischter Figuren bewegt und der Spiegel
durch illusionistische Künste in einen Himmelsraum verwandelt worden ist, der sich gegen
die Mitte zu in immer lichtere Höhen verliert (Abb. 80).
Die Thematik ist dem feststehenden Repertoire des Barock für die Ausmalung von
profanen Räumen entnommen239. Leitmotiv des dichten Geflechtes der Allegorien ist das
Korrelat „Krieg und Frieden", das in enger Verbindung steht zu den beiden weltlichen
Programmen, die sich in der Freskomalerei besonderer Beliebtheit erfreuten: Die „Seg-
nungen des guten Regimes" und die „Verherrlichung des Regenten als Schützer der
Wissenschaften und Künste". Ihre Verwendung blieb keineswegs auf Hofbibliotheken und
Bauten regierender Häuser beschränkt. In Schlobitten war sie von den Wirkungs- und
Interessenbereichen beider Bauherrn aus beurteilt in einem besonderen Maße berechtigt.
Hineinverwoben in das Hauptthema sind drei bekannte Zyklen aus der Vierersymbolik:
die Erdteile, die Jahreszeiten und die Elemente. Schannes hat die Kombinationsmöglich-
keiten, die sich aus der mehrfachen allegorischen Bedeutung der Personifikationen, der
Attribute und der handelnden Allegorien ergeben, mit bewundernswerter Sicherheit aus-
genutzt.
In den Ecken der Voute sitzen unter gemalten thronartigen Aufbauten die Personifika-
tionen der vier Erdteile: Europa, Asien, Afrika und Amerika. Europa — welch nachdenk-
liches Gemälde für das zwanzigste Jahrhundert — „cette partie du monde qui excelle
par-dessus toutes les autres" 240, ist als Königin mit Krone und Szepter dargestellt; zu
ihren Füßen hocken gefesselte Sklaven; unter dem Thron kommen die Köpfe von drei
Pferden hervor, die im Gespann zu traben scheinen, als zögen sie einen Festwagen in einem
jener prächtigen Umzüge, wie sie an den großen Fürstenhöfen bis ins 18. Jahrhundert
hinein mit ungeheurem Aufwand veranstaltet wurden und bei denen auch die Erdteile
unter ebensolchen Aufbauten, wie sie Schannes als Scheinarchitektur wiedergibt, und
gefesselte Sklaven figurierten. Bestimmt bestehen hier der Vorstellung nach Zusammen-
hänge. Asien stellt sich vor in einem kostbaren Gewand mit juwelenbesetztem Turban und
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Einzelteile, wohl nach Zeichnungen von Kraus, gemacht haben dürfte; so den Rahmen
für das Porträt Friedrich Wilhelm I., das erst 1714 eingereiht wurde. Für Vergoldungs-
arbeiten standen wiederum Schwan und Mey zur Verfügung.
Im Sommer 1711 konnte Schannes mit der Ausmalung der Decke beginnen, die ihm
in ihrer gesamten Ausdehnung bis herunter zum Hauptgesims und ohne jegliche archi-
tektonische Unterteilung zur Ausschmückung überlassen wurde. In Schlobitten befindet
sich das kleine Holzmodell, auf dem er seinen Entwurf, wie das bei großen Decken-
fresken üblich war, in Ölfarbe angelegt hat, um ihn dann al fresco auf den feuchten
Putz zu übertragen. Die Aufgabe, eine so große Fläche allein durch Malerei zu bewältigen,
war nicht leicht. Wenn sich das Ergebnis seiner, sich fast über zwei Jahre erstreckenden
Arbeit im Saal auch nicht mit den wirklich großen Deckenfresken des Barock vergleichen
läßt, so ist es doch, vor allem vom Programm her, das damals mindestens ebensoviel, wenn
nicht gar mehr bedeutete als der künstlerische Wert der Malerei238, eine erstaunliche, in
Ostpreußen völlig ohne Vergleich gebliebene Leistung, die den Blick immer wieder herauf-
holt zur Decke, wo auf dem Gesims scheinplastische Frauengestalten lagern, sich in der
Voute, hinter einer Balustrade ein Reigen buntgemischter Figuren bewegt und der Spiegel
durch illusionistische Künste in einen Himmelsraum verwandelt worden ist, der sich gegen
die Mitte zu in immer lichtere Höhen verliert (Abb. 80).
Die Thematik ist dem feststehenden Repertoire des Barock für die Ausmalung von
profanen Räumen entnommen239. Leitmotiv des dichten Geflechtes der Allegorien ist das
Korrelat „Krieg und Frieden", das in enger Verbindung steht zu den beiden weltlichen
Programmen, die sich in der Freskomalerei besonderer Beliebtheit erfreuten: Die „Seg-
nungen des guten Regimes" und die „Verherrlichung des Regenten als Schützer der
Wissenschaften und Künste". Ihre Verwendung blieb keineswegs auf Hofbibliotheken und
Bauten regierender Häuser beschränkt. In Schlobitten war sie von den Wirkungs- und
Interessenbereichen beider Bauherrn aus beurteilt in einem besonderen Maße berechtigt.
Hineinverwoben in das Hauptthema sind drei bekannte Zyklen aus der Vierersymbolik:
die Erdteile, die Jahreszeiten und die Elemente. Schannes hat die Kombinationsmöglich-
keiten, die sich aus der mehrfachen allegorischen Bedeutung der Personifikationen, der
Attribute und der handelnden Allegorien ergeben, mit bewundernswerter Sicherheit aus-
genutzt.
In den Ecken der Voute sitzen unter gemalten thronartigen Aufbauten die Personifika-
tionen der vier Erdteile: Europa, Asien, Afrika und Amerika. Europa — welch nachdenk-
liches Gemälde für das zwanzigste Jahrhundert — „cette partie du monde qui excelle
par-dessus toutes les autres" 240, ist als Königin mit Krone und Szepter dargestellt; zu
ihren Füßen hocken gefesselte Sklaven; unter dem Thron kommen die Köpfe von drei
Pferden hervor, die im Gespann zu traben scheinen, als zögen sie einen Festwagen in einem
jener prächtigen Umzüge, wie sie an den großen Fürstenhöfen bis ins 18. Jahrhundert
hinein mit ungeheurem Aufwand veranstaltet wurden und bei denen auch die Erdteile
unter ebensolchen Aufbauten, wie sie Schannes als Scheinarchitektur wiedergibt, und
gefesselte Sklaven figurierten. Bestimmt bestehen hier der Vorstellung nach Zusammen-
hänge. Asien stellt sich vor in einem kostbaren Gewand mit juwelenbesetztem Turban und
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