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Grommelt, Carl; Mertens, Christine
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens (Band 5): Das Dohnasche Schloss Schlobitten in Ostpreussen — Stuttgart: Kohlhammer, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48962#0152
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Bacchanten mit Weintrauben. Schannes bringt die einzelnen Figuren mit offenbarer Freude
am Erzählen — einer von den Kriegern legt einem langhaarigen Bettler Geld in die aus-
gestreckte Hand — ohne Abgrenzung gegeneinander, sogar ohne Abstand voneinander,
was ausgesprochen altertümlich wirkt.
Ganz ähnlich ist die Gegenseite komponiert, wo die Personifikationen des festen und des
feuchten Elementes und die Jahreszeiten des Wachstums und der Reife in vielerlei Wechsel-
bezüge gebracht sind zu der Darstellung der friedlichen Betätigungen des täglichen Lebens,
vor allem Fischfang und Ackerbau, andeutungsweise auch Handel und Gewerbe. Beherrscht
wird der Aufmarsch der Figuren durch die überragende Gestalt der Allmutter Cybele243 in
der Mitte der Voute. Sie ist in der Art der römischen Münzen im Chiton und auf ihrem
Löwen reitend dargestellt und wird durch die Mauerkrone in ihrer Eigenschaft als Städte-
beschirmerin, durch ein Füllhorn, dem Blumen entfallen, und den großen Schlüssel, mit dem
sie dem Mythos zufolge im Frühling und Winter die Erde auf- und zuschließt, als Per-
sonifikation der Erde charakterisiert, eine Rolle, in der sie auch in anderen Elementen-
zyklen vorkommt.
Das Wasser wird wie üblich durch Neptun vertreten. Sein großes, bärtiges Haupt er-
scheint, von einem gewaltigen Dreizack überragt, zu Füßen der Erdmutter, unmittelbar
über dem Gesims, so daß der Versuch, ihn reitend darzustellen, mißlingen mußte und der
Kopf des Delphins recht ungeschickt zwischen den Beinen des Gottes hervorguckt. Die
Begleitfiguren der Erde-Wasser-Gruppe, junge Mädchen neben Cybele, eine Nixe und eine
Frau in zeitgenössischer Tracht hinter Neptun, halten eine Mauerkrone, Blumen, Korallen-
zweige und Perlenketten in den Händen. Der Frühling wird durch ein „fliegendes Kind-
chen", das Blumen streut, und tanzende Mädchen mit Kranz und Girlande, der Sommer
durch drei mit Ähren bekränzte Göttinnen, unter ihnen Ceres, versinnbildlicht.
Aber genug der Hinweise! Die Bedeutung der übrigen Figuren und handelnden Alle-
gorien, der Bezüge und Querverbindungen in dem Gesamtprogramm der Randzone dürfte
sich nun von selbst ergeben. Die Beschreibung darf sich auf die Aufzählung einiger Typen
beschränken. Von Käufern umringt, entleert ein junger Fischer sein Netz, ein anderer, alter,
von mächtiger Gestalt, schultert seinen Kescher, ein dritter seine Ruder. Junge Burschen
tragen Fische, die an lange Stangen gebunden sind, und interessieren sich gleichzeitig für
den Abriß von der Fassade eines Palastes, die ein älterer Mann mit vollem Gesicht und
einer kleinen runden Kappe auf dem Kopf einem vornehm gekleideten ungarischen Edel-
mann, der, ein Lorgnon in der Hand, an der Brüstung lehnt, demonstriert. Unmittelbar
daneben zeigt ein jüngerer Maler im kurzärmeligen grünen Kittel einigen Soldaten ein
Bild oder eine auf ein Reißbrett aufgezogene Zeichnung. Sein Gesicht — und auch das
Gesicht des älteren Baumeisters — scheint sorgfältiger und individueller charakterisiert zu
sein als die übrigen Figuren. Schannes soll ein Konterfei von sich selbst im Saal hinter-
lassen haben. Hat er auch Hindersin abgemalt? Und gab es vielleicht auch ein lebendes
Modell zu dem nach venezianischer Mode der Zeit Paolo Veroneses gekleideten Herrn,
der neben dem Kesselpauker steht und irgendeine Anweisung zu geben scheint?
Zu den friedlichen Betätigungen des Lebens, deren Entfaltung der gute Regent schützt
und fördert, gehören auf einer höheren Ebene auch die Wissenschaften und Künste. Schan-
nes hatte sich die beiden Schmalseiten der Randzone für ihre Darstellung reserviert. Ehr-
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