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Grommelt, Carl; Mertens, Christine
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens (Band 5): Das Dohnasche Schloss Schlobitten in Ostpreussen — Stuttgart: Kohlhammer, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48962#0403
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Einordnung in die Behördenorganisation des Gesamtstaates durchführen. Nach seinem
Regierungsantritt erweiterte und vermehrte Friedrich Wilhelm I. noch die Vollmachten
seines ehemaligen Erziehers; er ernannte ihn zum Generalfeldmarschall und gab ihm bei
der Errichtung der „deutschen" und „litauischen" Kammer über beide das Oberdirektorium,
das Alexander allerdings nur bis 1718 behielt. Seinen entschlossen durchgeführten Re-
formen verhalf er gerade auch dadurch zum Erfolg, daß er stets das Maß wahrte, den
übertriebenen Zentralismus und Fiskalismus in seine Schranken wies und nicht zu jenen
verhaßten und übereifrigen „Plusmachern" gehörte. Auch dem König gegenüber wahrte
er sein selbständiges Urteil, indem er die Wohlfahrt des Landes und die Schonung des
ins Elend geratenen Landvolks vor die sofortige Steigerung der Steuereinnahmen stellte.
So sehr Alexander die Verschwendungssucht und den übertriebenen Prunk Friedrichs I.
und seiner Günstlinge ablehnte, entsprach seiner hohen Auffassung von seinem Amt und
Stand doch ein leistungsbezogener Ehrgeiz und ein stolzer Repräsentationswille. Dem Plan
der ihm nahestehenden Königin, ihn zum Fürsten machen zu lassen, stand er allerdings
offenbar ablehnend gegenüber; wir können seine Einwendungen nur aus den Gegen-
argumenten in einem Briefe Sophie Charlottes erschließen: der damit verbundene finan-
zielle Aufwand hat anscheinend eine Rolle gespielt. Indes hält er ein Palais, zum mindesten
einen ansehnlichen Landsitz seiner Stellung für angemessen. Zäh ringt er jahrelang unter
großen Kosten um das Erbe der freien Standesherrschaft Wartenberg in Schlesien, die er
erst nach persönlichem Eingreifen des Kaisers erringt (1719). Er opfert diesem Lieblings-
plan sogar den Besitz von Coppet, nicht ohne die Familienbilder nach Schlobitten zu über-
führen. Doch weder das von den Dohnas einer 1711 ausgestorbenen katholischen Linie
erbaute große Schloß Wartenberg noch das von ihm erneuerte „Schlößchen" in
Mohrungen oder das umgebaute Deutschordenshaus in Sassen können ihn befriedigen.
Seine ganze Liebe gehört dem großzügigen Projekt, Schlobitten zu einer repräsentativen
Barockresidenz mit weiträumigem Ehrenhof und ausgedehntem französischen Garten um-
zuschaffen; ihm widmet er seinen Kunstsinn und seine Organisationsgabe. Jedoch will er
bei aller Großartigkeit des Ausbaus der Gesamtanlage bei „einer wohl geordneten aber
simpelen Architektur bleiben" und sich „in keine große Pracht einlassen", wie er in einem
Brief an Andreas Schlüter sagt. Auch die wirtschaftlichen Bedürfnisse werden nicht ver-
nachlässigt; das Vorwerk Schlobitten mit seiner von Friedrich Wilhelm I. bewunderten
Anlage ist in den Gesamtplan einbezogen. So kommt das 1695 begonnene Werk erst etwa
nach einem Vierteljahrhundert zum endgültigen Abschluß.
Woher kamen nun die Mittel für ein so umfassendes Vorhaben? Angesichts der großen
Kunst- und Kulturschöpfungen vergessen wir oft, diese interessante Frage zu stellen. Frei-
lich, im Falle Schlobitten läßt sie sich nicht erschöpfend beantworten. Ins Gewicht gefallen
ist jedenfalls die Möglichkeit, die der Gouverneur von Pillau besaß, durch die damals
übliche Beurlaubung von Soldaten Arbeitskräfte zu günstigen Bedingungen zu gewinnen;
es ist überliefert, wie gewissenshaft der korrekte General darauf achtete, daß die Erforder-
nisse des Heeres und des Staates hierbei nicht vernachlässigt wurden. Sodann waren die
Bezüge an barem Geld, die ein hoher Offizier damals erhielt, sehr beträchtlich. Überhaupt
waren die Einkünfte der Spitzenkräfte in Armee und Staat in dieser Zeit ganz unverhältnis-

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