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Grommelt, Carl; Mertens, Christine
Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens (Band 5): Das Dohnasche Schloss Schlobitten in Ostpreussen — Stuttgart: Kohlhammer, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48962#0402
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So wichtig alle diese Fäden sind, die Schlobitten mit fast sämtlichen Mitgliedern der
Familie Dohna verknüpfen, entscheidend für das verödete Schloß und seine ferneren
Geschicke wurde ein Mann, dessen Wille das hochbarocke Gesamtkunstwerk Schlobitten
entstehen ließ: Alexander Burggraf und Graf zu Dohna. Als zweiter Sohn — ein älterer
Bruder verstarb im kindlichen Alter — unter den neun Kindern Friedrichs wurde er 1661
zu Coppet (oder Genf) geboren (das überlieferte Datum des 5. Februar neuen Stils ist
zweifelhaft). Sein Vater verwandte auf seine Erziehung viel Sorgfalt, ließ ihn durch Bayle
unterrichten und schickte ihn dann nach Holland und auf ausgedehnte Bildungsreisen. Im
brandenburgischen Dienst brachte er es mit 25 Jahren zum Oberst, wurde bei der Er-
stürmung von Bonn schwer verwundet und erhielt als Generalwachtmeister ein Regiment
(1689), mit dem er auch am Feldzug in Flandern 1693/94 teilnahm. Dazwischen war er mehr-
mals als Gesandter in Polen und erreichte — über seine Instruktion hinausgehend — trotz
erheblichen Schwierigkeiten die formelle Erneuerung nach dem Tode des Großen Kur-
fürsten der die Souveränität des Herzogtums Preußen zugestehenden Verträge. 1690 ging
er als Gesandter nach Schweden, wo Graf Bengt Oxenstierna, ein Onkel seiner Gemahlin
(Amalie Louise, Tochter des Christoph Delphicus Dohna) als Kanzleipräsident den aus-
wärtigen Angelegenheiten vorstand. Dem zum Generalleutnant und Wirklichen Geheimen
Rat ernannten Alexander wurde im Februar 1695 die Erziehung des Kurprinzen Friedrich
Wilhelm als dessen Gouverneur und Oberhofmeister anvertraut. In den neun Jahren seiner
Erziehertätigkeit hat Alexander einen bedeutenden und nachhaltigen Einfluß auf den
schwer zähmbaren und wenig lernbegabten Knaben und Jüngling ausgeübt, den er Einfach-
heit und Sparsamkeit, vor allem aber Selbstdisziplin lehrte. Die charaktervolle, von Pflicht-
und Ehrgefühl durchdrungene, von religiösem Ernst geprägte Persönlichkeit seines Mentors
hatte eine starke unmittelbare Wirkung auf den empfänglichen und bald reifenden Prinzen,
der seinem Lehrmeister noch als König aufrichtige Dankbarkeit bezeugte. Wegen seiner
Opposition gegen den allmächtigen Günstling und Premierminister Kolbe von Wartenberg
mußte Alexander — wie schon vorher sein Bruder Christoph — sich im Jahre 1704 weit-
gehend zurückziehen, konnte jedoch im Geheimen Rat verbleiben. Er nutzte den langen
Aufenthalt in Preußen, um die Befestigung von Pillau zu verbessern (er war dort seit
1692 Gouverneur) und das durch die Pest verödete Land wieder zu besiedeln. Nach dem
Sturze des Regimes Wartenberg konnte er die Erfahrungen aus seiner Schlobitter Muster-
wirtschaft und mit der „Repeuplierung" dem gesamten Lande in amtlicher Stellung zugute-
kommen lassen. Schlimmer beinahe als die Epidemie hatte die Wartenberg-Wittgen-
steinsche Mißregierung das Land verheert. Als Chef der neugeschaffenen Kommission zur
Herstellung des Kammer- und Domänenwesens in Preußen (seit 1711) konnte Alexander
Dohna den Grund für das „Retablissement Preußens" legen. Hierbei erwies sich der nicht
mehr zeitgemäße Zustand der preußischen Regierung in Königsberg, die ihre Herkunft
aus der ständischen Verfassung nicht verleugnen konnte, als Konkurrenz der Kammer-
verwaltung und Hemmschuh der Aufbauarbeit und Neuorganisation. Alexander wurde
neben seinen anderen Ämtern zum Mitglied und zugleich Chef der Regierung in Königs-
berg ernannt. Als Angehöriger des Geheimen Rates in Berlin, der aber doch den preu-
ßischen Indigenat besaß, und vom Vertrauen beider Seiten getragen, konnte er so die
Angleichung der ständischen Regierung an die staatliche Verwaltung und ihre schließliche

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