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Rave, Wilhelm [Editor]; Nordhoff, Josef B. [Oth.]; Ludorff, Albert [Oth.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen (Band 2): Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Kreises Warendorf — Münster, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.24358#0027
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DIE LANDWEHREN.

17

land schützen und decken wollten, oh gegen
uralte Wanderstämme, gegen Wenden, Ungarn,
oder feindselige Mächte der Nachbarschaft? das
bleibt fraglich. Sie können von der sesshaften
Urbevölkerung oder vielmehr von altern Mark-
genossen und betheiligten Anwohnern schon
angelegt sein und wurden sicher später von den
Landesherren und Kirchenfürsten wenn nicht
geschaffen, so doch erhalten und benutzt. Die
angrenzenden Marken und Kirchspiele haben
doch an ihnen so auffallend gerade Scheiden
und Grenzen, als entstammten sie neuerer Zeit.
Die Schirllandwehr zu Ostbevern offenhart auch
mit ihrem Namen noch ihre trennende Bedeutung;
denn scheren und schieren heisst theilen und
durchschneiden. Zu Füchtorf, wo wir sie ver-
missen, trat an ihre Stelle die alte fast an
der Ostgrenze hinaufziehende Römerlinie, zu
Milte die Vinnenberger Landwehr, und als deren
Verstärkung lässt sich vielleicht das von Far-
wicks Mühle nach Nordwesten laufende Graben-
und Dammwerk ansehen. Hiernach stellten sie
also wirkliche Landwehren (munitiones terrae)
dar, wie sie auch zwischen der Grafschaft Mark
und dem Stifte Münster oder als Ringwerke der
alten Städte Vorlagen. Möglicherweise schliesst
sich ihnen wie der Lage, so dem Zwecke nach
die verstümmelte Landwehr im Osten von Harse-
winkel an, welche später wie eine Sperre zwischen
dem Lutter- und Abrocksbache bestand.

Die verschiedenartigen Dämme nach Ent-
stehung und Zweck gehörig auseinanderzuhalten,
verursacht um so grössere Schwierigkeiten, als
sie meistens unter dem Zahn der Zeit ein gleich-
artiges Aussehen angenommen haben und einige
in ihrem Laufe scheinbar eine Zusammengehörig-
keit, eine Figur, bilden. Ein sonderbares Erdwerk
windet sich, sofern es noch nicht weggeräumt
ist, im Südwesten und Westen entlang oder durch
den Kreis: ein Kirchspielshagen, in kleineren
oder grösseren Resten wohl gar in mehreren
Wällen bis zu 20m Breite: er entspringt am
grossen Hoetmarer Landhagen, trennt die Ge-
meinde Hoetmar, ohne die Bauerschaft Budden-
baum, von Enniger, von Sendenhorst und
in nördlicher Schwenkung Everswinkel von
Hoetmar, Freckenhorst und Neuwarendorf;
von der Südwestspitze von Hoetmar geht ein

anderer Zweig auf Alverskirchen und von der
Südspitze ein dritter zwischen Sendenhorst und
Enniger hindurch am Brüningshofe vorbei nach
Süden. Mit der Bestimmung einer Kirchspiels-
Scheide oder-Wehr liarmoniren hier der mit den
Grenzen geknickte oder gewundene Lauf und
gewisse Schriften, welche ortsweise derartige
Werke als Dinge öffentlicher Last beurkunden.
Da aber solche Erdwehren dem Kirchspiel Evers-
winkel auf allen übrigen Seiten, andern Pfarren
ganz abgehen, so decken die erwähnten hier viel-
leicht nur zufällig die Grenzen und wurzeln in
älteren Zeiten oder anderen Ursachen. Möglicher-
weise erscheinen sie im Lichte weiterer Orts-
forschung noch als Bestandtheile verschieden-
artiger Anlagen oder als Glieder eines Landwehr-
systems, welches sich von Sendenhorst nach
allen Weltrichtungen hin verzweigt. Kein Zweig
deckt sich, soweit meine Erkundigungen reichen,
mit den. Grenzen der Hoetmarer Mark und höch-
stens strichweise mit jenen der alten Amts-
und Gerichtsbezirke. Für Kirchspiele bestimmte
Landwehren sind beinahe so grosse Seltenheiten,
wie solche für Bau erschaffen.

Im Südosten des Kreises kommt ein schnur-
gerader von Süden nach Norden zeigender Dop-
pelwall mit Resten bis zu 24 Fuss Breite zum
Vorschein, nämlich in der Gemeinde Osten-
felde. Er nimmt als ,Bäumkers‘ Hiege im
Süden der Keuschenburg seinen Anfang und
schiesst mitten durch die Bauerschaft Ventrup
am Südhause vorbei über die Kreisgrenze fast
auf Eieringhof zu Ennigerloh — ein sonder-
bares Gebilde. Es spottet erst recht allen Kri-
terien der Erklärung, bis schriftgeschichtliche
Funde oder weitere Ortsforschungeu brauchbare
Haltepunkte herausbringen.

Nachdem nun die Seitendämme der heimi-
schen und die Trümmer der römischen Strassen,
die Grenz- und Landwehren der grauen Vorzeit
gezeichnet sind, haben wir noch ein ganzes Netz
von späteren Erdwerken zu durchmustern,
dessen Fäden gegen jene deutlich abstechen
und unter einander wieder in allerlei Arten zer-
fallen. Wir skizziren sie nur, weil eine genauere
Betrachtung nach Fundorten und Formen eine
endlose Ardeit bedingen und den Aufwand nicht
lohnen würde. Sie bekunden stellenweise eine

o
 
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