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Rave, Wilhelm [Hrsg.]; Nordhoff, Josef B. [Bearb.]; Ludorff, Albert [Bearb.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen (Band 2): Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Kreises Warendorf — Münster, 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.24358#0086
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FÜCHTORF.

lern und Mitteltheilen stichbogig. Das vor etwa
hundert Jahren aufgeführte Bauwerk imponirt
weniger durch die Bauformen als durch seine
Grösse und die Kunstwerke, welche das
Innere und die Zimmerreihen schmücken: da
sind Delfter Wand-Miesse, an Formen und Far-
ben herrliche Porcellane von China, Japan,
Meissen und andern Plätzen, venetianische und
andere Spiegel, ziervoll behandelte Möbeln, so
eine schwarze Commode von Boule-Arbeit mit
decorativen Ein- und Auflagen von Messing,
eine andere mit farbigen Intar-
sien aus dem vorigen Jahrhun-
derte — vielleicht eine vaterlän-
dische Arbeit. Yor Allem ent-
zückt den Beschauer ein aus
Zweigen und Blumen gefloch-
tener mit Farben geschmückter
Kronleuchter aus feinem Ei-
senblech — ein Triumph der
Schmiedekunst und Polychromie
des letzten Jahrhunderts.

Die Gemälde in den Sälen
machen eine kleine Gallerie aus;
sie haben sich indess wie die
Portraits der Familienglieder nur
kleinestheils aus den Zeitbedürf-
nissen, grösstentheils aus Kunst-
liebhabern angehäuft — einer
Kunstliebhaberei, welche gegen
Ende des 17. Jahrhunderts von den Höfen auch
die reicheren Sitze des Adels reizte, so dass
z. B. Graf Ferdinand von Plettenberg zu Nord-
kirchen (f 1737) seinem Sohne Joseph für eine
Keise nach dem Süden 32 Wagen mit Silber-
geraten und anderem Kunstprunk über Holland
nach Italien voransenden konnte — Schätze,
welche, nachdem Joseph auf der Heimreise ge-
storben war, leider in Rom verkauft sind. Die
ältern jener Art verdienen weniger des Kuust-
werthes halber unser Augenmerk, als des In-
haltes wegen.

Mit siebzehn Ahnenbildern sind wahr-
scheinlich im vorigen Jahrhunderte verewigt:
Goswin von Ketteier zu Assen (f 1646) und
dessen Gemahlin, nämlich Christina von Korf-
Schmiesing, deren Söhne Georg Rembert 1665
(und 1682 sesshaft in Mähren), Caspar Heiden-

rich (f 1678), sowie dessen Gemahlin Anna
von Schade (-Salvei), deren Söhne Johan Hein-
rich, Deutschordens - Ritter 1690 und Goswin
Caspar (f 1719), dessen Gemahlin Anna Doro-
thea von Ivorf 1686, ihr Sohn Alexander Anton
(f 1718), des letztem Gemahlin Sophia von
der Tinnen, ihre Tochter Agnes Franzelina.
1741 vermählt dem Herman Arnold von Vit-
tinghof gen. Schell, ein jüngerer Sohn Goswins,
Johan zu Bollen und seine Gemahlin Theodora
Catharina von Schade 1663, ihr Sohn Herman
Mcolaus, Domherr und General-
vicar zu Münster, ihre Tochter
Sophia Agatha und (seit 1691)
deren Gemahl Godfried von der
Tinnen, und dessen Vater Rudolf
von der Tinnen 1670 (y 1702).

Aus der anderen Reihe: Por-
traits, Landschaften, Genres und
Andachtsbildern werden jene
Stücke vermerkt, welche landes-
geschichtliche Vorwürfe und einen
besonderen Werth haben, so die
Brustbilder von Luther und Ka-
tharina von Bora 1531 auf
Holz gemalt, 0,34m breit und
oben rundlich schliessend die
schöne figurenreiche ,Geburt
Christi1, gleichfalls auf Holz und
bezeichnet: D. J. E. (?) Frank
inv. et f. 1619, ein an Farben und Gruppen
sehr ansprechendes Volksfest inschriftlich von
dem Antwerpener Verfallskünstler B(C.?) Beschey
(1708—1776), zwei treffliche Portraits, wahr-
scheinlich von Geldorf, eine Landschaft des
Jacob Rnysdael von ausgezeichneter Composi-
tion und Farbenwirkung — und endlich die
auf Holz gemalten Brustbilder von Johan van
Leyden, konig der wederdopers tot Münster
i534£ lind einer seiner Frauen; jenes hat 0,30m
in der Höhe, 0,20m in der Breite, das der
Königin etwas grössere Dimensionen. Vor Allem
gefällt uns an dem Bilde des Königs eine ge-
schmackvolle Anlage und ein kräftiges Colorit,
der Ring unterhalb der Hände könnte gar auf
den der Wiedertäuferei zugethanen Maler Lud-
ger to Ring den Aelteren gehen, zumal da das
Bildniss eine Sonderstellung einnimmt; — allein

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