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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 11/12
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Auszug aus dem Bericht über den vierten Delegiertentag des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine und dem dritten allgemeinen Kunstgewerbetag
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0098
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Arbeitsmaschinen sind in den Werkstätten der Kunsthandwerker zahl-
reicher vertreten als man glaubt. Da sind außer den schon ge-
nannten Maschinen noch Blaßbälge, Schleifsteine, Pumpen, Walzen
u. s. w., deren Betrieb zweckdienlich den Motoren überlassen werden
könnte, zum vortheile der künstlerischen Handfertigkeit von Meister
und Gehilfen und vor Allem zum vortheile für die sachgemäße Aus-
bildung der Heranwachsenden Lehrlinge.

Es darf nicht unterlassen werden noch anzuführen, daß die Gleich-
mäßigkeit der Bewegung eines inechanischen Motors von Menschen-
krast nie erreicht wird, und daß daher manche Arbeiten, wie Bohren,
Drehen, Schleifen, Sägen u. s. w., weitaus sauberer und gleichmäßiger
aussehen, wenn die betreffenden Arbeitsmaschinen nicht durch Menschen-
krast, sondern durch mechanische Motoren in Bewegung gesetzt werden.

So wichtig nun die Einführung von Motoren in die kunstgewerb-
liche Industrie ist, so sehr ist auch hxi der Beschaffung eines Motors
die äußerste Vorsicht geboten, um den für den verlangten Zweck ge-
eignetsten zu erlangen.

vorausgeschickt mag werden, daß überall dort, wo eine reiche
natürliche Kraftquelle durch Wasser zu Gebote steht, es wünschens-
wert ist, dem Kleinbetriebe die Kraft von einer Zentralstelle aus
durch direkte Kraftübertragung in, die Werkstätte zu leiten, da hier-
durch die Beschaffung und Wartung. eines besonderen Motors un-
uöthig wird. Die Anlage und Nutzbarmachung ' derartiger Zentral-
Kraftstellen ist indessen so sehr an lokale Verhältnisse gebunden, daß
ein näheres Eingehen auf dieselben hier nicht statthaft erscheint. Es
ist anzunehmen, daß für das Kunstgewerbe in der Regel Motoren
von etwa zwei Pferdekräften in Frage kommen, und es sollen daher
die nachfolgenden Darlegungen von vornherein auf Motoren von
dieser Stärke bezogen werden. Die vor- und Nachtheile, welche die
verschiedenen Arten von Motoren haben, und welche bei Verwendung
derselben in der kunstgewechllchen Industrie hauptsächlich in Betracht
kommen, sollen gute Erwähnung finden.

Die zur Auswahl stehenden Motoren, sind:

1. Wafferkraftmasch'men,

2. bjeißluftmaschinen,

3. Kleindampsmaschinen,

q. Gaskraftmaschinen inid die hierzu gehörenden Petroleum-
oder Benzinmotoren.

Zu j. Die Wasserkraft- ob« Wassersäulen Maschinen
sind Motoren, welche durch Druckwaff«, wie solches in den Wasser-
leitungen der meisten Städte zur Verfügung steht, getrieben werden.
Diese Maschinen, welche zur Zeit besonders in Zürich und einigen
andern Grten der Schweiz, zahlreiche v-rwendung finden/ erfordern
nur geringe Anschaffungskosten, sind sehr zuverlässig und reinlich im
Betriebe, können jeden Augenblick an- und abgestellt werden und
erfordern keinerlei Wartung, auch sind die neueren Konstruktionen
derselben dem jeweiligen Krastbedarf entsprechend regulirbar. Leider
ist der Wasserverbrauch dieser Motoren ein so großer, daß sie nur an
den Grten wo entweder ein starkes natürliches Wassergefälle zu Ge-
bote steht oder wo eine Druckwasseranlage durch Turbinen oder
Wasserräder betrieben werden kann, vortheilhaft verwendet werden
können. — Dabei kostet ^ Pferdekraft bei zehnstündigem Betriebe
rund {2 Mark; Der Preis ist also ein so hoher, daß die Verwendung
dieser Motoren ernstlich nur dort in Frage kommen kann, wo das
Druckwaffer sehr viel billiger ist.

Zu 2. bfeiß lustm asch ine n, auch Kalorische Maschi n en
genannt, sind solche Motoren, bei denen die durch. Feuer bewirkte j
Ausdehnung eingeschloffener Luft zur Kraftleistnng benutzt wird. Es
sind zahllose verschiedene Systeme dieser Motoren auf dem Markte und
manche derselben sollen auch recht Anerkennenswerthes leisten. Man
wirft den kfeißlustmaschinen indessen mit Recht vor, daß sie neben
einigen andern kleineren Untugenden an dem großen Uebelstande sehr
häufiger Reparaturbedürftigkeit leiden und daher recht lästig im. Be-
triebe sind. In den letzteren Jahren sind dieselben daher besonders
durch Gasmotoren sehr verdrängt worden, trotzdem sie sich hinsichtlich der
Anschaffung?- und Betriebskosten sonst wohl neben den übrigen Motoren
behaupten könnten. Im Uebrigen sind lfeißlustmaschinen vollständig
gefahrlos im Betriebe, erfordern indessen eine sorgfältige Wartung
des Feuers. — Dabei kostet t Plerdekraft bei zehnstündigem Betriebe
rund 3,00 Mark.

Zu 3. Kleindampfmaschinen. Seit langen Jahren ist
man bemüht.gewesen, die Dampfmaschinen, welche in der Großindustrie

fast ausschließlich im Gebrauche sind, auch dem Kleingewerbe nutzbar
zu machen. Es ist in dieser Beziehung auch außerordentlich viel ge-
j leistet worden und es werden zur Zeit Kleindamxftnafchinen von I/2—2
Pferdekräften gebaut, die wirklich vortrefflich gebaut sind und ausge-
| zeichnet laufen. Die Beschaffungskosten derartiger Maschinen und die
Betriebskosten derselben an Feuerungs- und Schmiermaterial sind nicht
hoch, leider aber erfordert ein Dampfkessel unausgesetzt sorgfältige
Wartung, die im Kleinbetriebe sehr schwer zu erreichen ist. Ferner
erfordert das Anheizen eines Kessels mehr oder weniger lange Zeit,
wodurch die Maschine nicht zu jeder Zeit betriebsfähig ist. Ghne
den Kleindampsmaschinen in ihrem Werthe Abbruch thun zu wollen,
kann man behaupten, daß der Betrieb einer Dampfmaschine erst
rationell wird, wenn ihre Größe auf mindestens n Pferdekräfte
Leistungsfähigkeit bemessen ist. Der Preis für t Pferdekraft stellt
sich in zehnstündigem Betriebe auf rund 2, SO Mark.

Zu q. Als denjenigen Motor, der zur Zeit für die Benützung
im Kleinbetriebe am meisten zu empfehlen sein dürfte, ist wohl der
Gasmotor, wie er in den letzten Jahren von mehreren. Fabriken
hergestellt wird, zu bezeichnen. Die heutigen Gasmotoren besitzen so
vortreffliche Ligenschafteu für die hier in Frage stehende Benutzungs-
weise, das dieselben geradezu als das Ideal der Motoren für den
Kleinbetrieb hingestellt werden können. Diese Motoren gebrauchen
nahezu keine Wartung, sind vollständig gefahrlos, so daß sie an jedem
Grte aufgestellt werden können, sind stets betriebsfertig, erfordern ge-
ringe Anschaffungskosten und sind billig im Betriebe. Das sind
kurz diejenige» guten Eigenschaften, welche diesen Motoren beigelegt
werden müssen. Die Gasmotoren werden von t/4 Pferdekraft bis zu
joo und mehr Pferdekräften gebaut, ohne daß den kleineren Maschinen
irgend welche von den guten Eigenschaften der größeren fehlen. Der
Preis für z Pferdekraft in zehnstündigem Betriebe berechnet sich zu
;,80 Mark.

In neuerer Zeit wird zum Betriebe der Gasmotoren vielfach
anstatt Leuchtgas ein Wafferstoffgas, nach dem Erfinder Dowson-Gas
genannt, angewendet. Dasselbe soll sich für diesen Zweck vortrefflich
eignen und dabei erheblich billiger als Leuchtgas (die bferstellungs-
kosten sollen für t cbm nur 2 Pfennige betragen) sein. Falls sich
diese neue Erfindung bewähren sollte, so würde der Betrieb der Gas-
motoren noch erheblich billiger einzurichten fein, als oben angegeben ist.

In den Grten, in denen kein Leuchtgas zur Verfügung steht,
können die Gasmotoren durch Benzingas, welches überall leicht herzu-
stellen ist, gespeist werden. In diesem Falle verlieren diese Motoren
einige der oben angeführten guten Eigenschaften, weil die Benzingas-
Bereitung immerhin feuergefährlich und bei Außerachtlassung der
nöthigen Vorsichtsmaßregeln nicht gefahrlos ist. Die Anschaffungs-
kostcn der Motors werden durch das bfinzukommen eines Gaserzeugers
erhöht, auch sind die Betriebskosten höher als bei der Verwendung
von Leuchtgas, so daß sich ; Pferdekraft in zehnstündigem Betriebe
auf etwa 2,30 M. berechnen wird.

Die nachstehende Tabelle ermöglicht einen Ueberblick über die
bezüglich der einzelnen Motoren gemachten Angaben.



An-

Gebraucht

Preis e. Pferde-

u?

Bezeichnung der Motoren, schaffuny-.

pro Stunde und

Rraft in zehn-



Rosten.

Pferdekraft.

stünd. Betriebe.

\

Wasserkraftmaschine von
zwei Pferde-Kräften . 1 .

;oooM.

22 cbm. Wasser

\2,o rn.


2

kfeißluftmaschine v. zwei


v.30mDruckhöhe


Pferde-Kräften....

2600 „

7,z kg Kohle

3,0 „

3

Kleindampfmaschine von


200 In. Wasser



zwei Pferde-Kräften. .

2300 „

q kg. Kohle

2,5 „

4

Gasmotor v. zwei Pferde-
Kräften .

lSOO „

0,9 cbm Gas,

l,s „

5

Benzinmotor von zwei


50 lit. Wasser



Pferde-Kräften....

2330 „

-/- lit. Benzin
50 In. Wasser

2,3 „

Die vorstehenden Erörterungen werden einen allgemeinen
Ueberblick über die verschiedenen Arten der Motoren ermöglichen.
Es soll indessen nochmals betont werden, daß die gemachten Angaben
nicht für jeden einzelnen Fall zutreffen können, und daß hinsichtlich
der Anschaffungs- und Betriebskosten der Maschinen verschiedener
Systeme und verschiedener Fabriken Abweichungen von vorstehenden
Daten Vorkommen werden, Schließlich erübrigt noch, eine Betrachtung
 
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