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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 11/12
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Auszug aus dem Bericht über den vierten Delegiertentag des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine und dem dritten allgemeinen Kunstgewerbetag
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0097

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Auszug aus dem Gericht über den

vierteil Delcgirtentag -es Zeröan-es -eutUK Kunflgeivervevereine

und dem

-ritten ültgemeinen Kunikgeivertietng.

Delegirtentüg. vertreten sind Z6 vereine, und zwar von Aachen,
Berlin, Braunschweig, Dresden, Frankfurt a/M., Hamburg, Hannover
(mit 2 Vereinen), Karlsruhe, Leipzig, Magdeburg, München, Neu-
haldensleben, Pforzheim, (puedlinburg, Stuttgart.

Nach erfolgter Wahl des Bureaus (Direktor Länge-München

I. Vorsitzender; — Baurath, Professor Köhler-Hannover, II. Vorsitzender;
— Bauinspektor Necker-Hamburg und Architekt walle-Berlin, Schrift-
führer) erstattete Hosrath Schröer den Geschäfts- und Raffen-
bericht des Vororts Berlin; als neuaufgenommen in den ver-
band werden die Ku nstgero erbevereine zu Hamburg und zu
Altenburg bezeichnet. Den Gesammt-Einnahmen von 727,41 M.
stehen als Gefammt-Ausgaben ^7,60 ITT. gegenüber, so daß dem
Bayr. Kunst-Gewerbe-Verein 209,8- M. überwiesen sind. — Der nun
folgende Bericht des Direktors Lange über die Thätigkeit des Vor-
ortes München erwähnt zunächst die Beileidsbezeugungen für die
Heimgegangenen Kaiser Wilhelm und Friedrich und schloß mit der
Mittheilung, daß demnächst aus dem von den Verbandsvereinen ein-
gesandten Material ein Gesammtbericht über deren Thätigkeit herge-
stellt werden solle. Als neu ausgenommen werden der Gewerbe-
verein zu Aachen-Burtscheid und der Tiroler Gewerbe-
verein zu Innsbruck bezeichnet. Der gegenwärtige Kassenbestand
beträgt 2\o,7$ I1T. — Es erfolgt dann die definitive Uebernahme
der vorortsgeschäfte durch den Bayr. Kunst-Gewerbe-
verein und die Aufnahme des Knnst-Gewerbe-Vereins zu
Dldenburg und des Deutschen Graveur-Vereins zuBerlin
in den verband.

Das Referat des Direktor Lange „über das Zusammenwirken
der Deutschen Kunstgewerbevereine bei Betheilignng des Deutschen
Kunstgcwerbes an auswärtigen Ausstellungen" stellt als Ziel dieses
Zusanimenwirkens hin möglichste Verringerung der dem Einzelnen
zufallenden Gpfer; amtliche Auskunft über die Verhältnisse des be-
treffenden Landes, — Erwirkung einer selbstständigen auch räumlich
gesonderten Ausstellung des Kunstgewerbes, — Errichtung von Sammel-
stellen im Heimathland mit Bcfugniß der Auswahl und die Ver-
pflichtung, für Transport und Aufsicht zu sorgen, — würdige Aus-
stattung des Ausstellungsraumes werden als nothwendig bezeichnet
und mit Bezug auf den letzten Punkt ein vom Referenten gestellter
Antrag in der durch Baurath Köhler modiflzirten Form angenommen,
„die Ausführungen und Anträge des Direktor Lange (München), den
Linzelvereinen mit dem Ersuchen um eine gutachtliche Aeußerung zu-
zustellen und den Vorort zu ermächtigen, nach Eingang derselben ent-
gültig die Redaktion zu übernehmen, auch eine Petition an die Reichs-
regierung abzusenden, sofern die Mehrheit der verbündeten vereine
sich für eine solche Maßregel erklärt."

Hinsichtlich der Frage „was kann zur Förderung der
verbandszwecke durch Heranziehung neuer Vereine gc-
than werden?" erachtetes der Referent, Architekt Wallö-Berlin, als
zweckmäßig, daß der Vorstand mit den noch nicht dem verband
angehörigen Vereinen sich in Verbindung setze, daß er sich die Be-
grüudung neuer Vereine an geeigneten Vrten angelegen sein lasse ic.
Dieser Vorschlag wird dem Vorstand überwiesen, um auf Grund des-
selben zu geeigneter Zeit in dem angedeuteten Sinne Vorgehen zu können.

Der zweite Tag (d. 7. Aug.) galt hauptsächlich der vorberathung
einiger dem Kunstgewerbetag vorzulegenden Fragen. Die erste betraf
die Wirkungen des Musterschutzgesetzes auf das Deutsche Kunstgewerbe
(Professor von Miller), die zweite die Einwirkung der Motoren-Be-
nutzung auf die kunstgewerbliche Industrie, (Ingenieur Aengenetzndt,
Hannover), die dritte die Erfahrungen über Exxortmusterlager (Kommer-
zienrath Lhni, Stuttgart). — Zur freien Besprechung gelangt dann
noch eine Einladung des Vereins zu Hamburg, einen Delegirtentag
Z889 aus Anlaß der dortigen Industrie-Ausstellung zu halten, — und
eine Aufforderung, innerhalb des Vereins zu Beisteuern für das
Semper-Denkmal in Dresden aufzumuntern.

Der Nimstgewevhekag wurde am ersten versammlungstö
(d. 8. Aug.) zunächst von dem Vorort (Direktor Lange), der 9l-
Staatsregierung (Staatsrath v. Dillis, Exc.) und der Stadt MüHen
(Bürgermeister Borscht) begrüßt; das Bureau ist wie beim Delegir^ttag
zusammengesetzt. Nach Berichterstattung über die Verhandlung» des
Delegirtentags begannen jene des Kunstgewerbetags mit dein Neferat
Professor von Millers-München über die Wirkungen de?Muster-
schutzgesetzes auf das deutsche Kunstgewerbe, zu welche' F^ge die
Versammlung beschloß, daß zur Beseitigung der uiperk-nnbaren
Mängel dieses Gesetzes „das Material in den vereisen gesammelt
und dann durch den Vorort in geeigneter weise verwertet i-erden soll".

Zu dem zweiten Punkt der Tagesordnung „Eiiiw^kung der
Moto reu b en u tz u n g auf die kunstgewerbliche Industrie"
hatte Ingenieur Aengenepndt-Hannover ein eingehend^ Referat aus-
gearbeitet, das seiner allgemeinen Wichtigkeit wegen >uer ausführlicher
mitgetheilt wird. — Nach einer kurzen LinlsituS über die Fort-
schritte der kunstgewerblichen Landarbeit betont Rdner die Wichtig-
keit, sich zur Vorbereitung der Materialien u-d zur mechanischen
Hülfeleistung, nicht aber zur Fertigstellung d' Erzeugniffe, der Ar-
beitsmaschinen zu bedienen. Selten findet mw neben den verschiedenen
im Gebrauch befindlichen Arbeitsmaschine' kunstgewerblicher Werk-
stätten die nöthigen Kraftmaschinen, welch'durch ihre billigere Arbeits-
leistung dem Kunsthandwerker allein dieKonkurrenz mit dem Groß-
betrieb ermöglichen.

Das Uebergewicht der Fabriken brüht aber lediglich daraus, daß
dieselben ihre Arbeitsmaschinen durctMotorkrast in Bewegung setzen/
während der Handwerker hierzu Neschenkraft verwendet. Die Arbeits-
maschinen der Fabriken sind in dn meisten Fällen dieselben, welche
auch — in abgeänderter Form «P Leistungsfähigkeit dem Hand-
werker zu Gebote stehen.

Es kostet bei zehnstündige" Betriebe eine Pferdekraft (d. h. eine
Kraft, die im Stande ist, 72 .Kilogramm in i Sekunde \ m hoch zu
heben), geleistet von:

{. Großdamxü,aschine 0,80 Mark

2. Kleindam-ftnaschine 2,50 „

2. Gaskraftnaschine 1,80 „

q. Arbeiter- an der Kurbel 20,00 „

Diese Tabelle zeigt ohne weiteres, wie sehr die Menschenkraft in
dieser Beziehung unteilegen ist, und welche heillose Verschwendung
dort stattfindet, wo im regelmäßigen Betriebe Arbeitsmaschinen durch
Menschenkraft in Bewegung gesetzt werden.

wenn auch die Kraft der Kleinmotoren immerhin noch theuer
ist, als dis von großen Dampfmaschinen geleistete Kraft, und hierdurch
der große Fabrikant dem Kleingewerbemeister gegenüber im vortheile
j erscheint, so ist andererseits wohl zu beachten, daß im Kleinbetriebe,

j in welchem der Meister silbst mitarbeitet und Direktor, Betriebs-

ingenieur und Buchhalter -n einer Person ist, die Regiekosten wesent-
lich geringere sind als in der Großindustrie, und daß hierdurch der
Kleinbetrieb dieser gegenüber recht wohl lebensfähig dasteht. Es darf
wohl behauptet werden, daß die allgemeine Einführung der Motoren-
benützung im Kleinbetriebe eine beträchtliche Verminderung der
Fabriken, welche vom sozialen und wirthschaftlichen Standpunkte aus
sehr wünschenswerth erscheint, herbeisühren würde. Dazu kommt,
daß in den Werkstätten des Kunsthandwerks nicht etwa einfache Hand-
arbeiter, welche weiter nichts gelernt haben, zum Betriebe der Arbeits-
Maschinen verwendet werden, sondern daß zumeist ein großer Theil
der besser verwerthbaren Kräfte des Meisters, der Gehülfen und der
Lehrlinge zum Betrieb verwendet wird. Die geistlose Kraftleistnng
an der Kurbel macht aber den Körper übermäßig müde, die Hand
schwer und den Geist träge, und wenn dann ein Lehrling ermüdet
Abends in der Fortbildungsschule den Zeichenstift nicht vernünftig
führen kann, so liegt die Schuld in der Ermüdung nicht durch die
eigentliche Handwerksthätigkeit sondern durch die geistlose Krastleistung.
 
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