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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 1/2
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Vereinschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0014

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'Vereins-Chronik.

Kunstgewerbliche Rundschau.

nderthalb Jahre find in's Land gegangen, feit König
Ludwig II. das Zeitliche gesegnet; die geradezu staunen-
erregende Förderung, welche er dem Kunstgewerbe,
namentlich dem einheimischen, angedeihen ließ, liegen
jetzt so vor Augen, daß es überflüssig ist, an dieser
Stelle noch näher darauf hinzuweisen. Wir haben schon in den letzten
Heften einzelne Bautheile und Jnventarstücke aus den kgl. Schlössern
unfern Lesern vorgeführt und sind in der Lage, noch eine ziemliche
Anzahl hervorragender künstlerischer, bez. kunstgewerblicher Erzeug-
nisse aus dem Nachlaß König Ludwigs zu veröffentlichen.

Ls war nur natürlich, daß auf die Fluth hochbedeutender Auf-
gaben, welche der verewigte König dem Kunstgewerbe stellte, nach

Gothisches Kästchen.

Nach eigenem Entwurf ausgefübrt von 0. Fritzsche in München.

seinem Hingang eine gewisse Ebbe folgte, deren Wirkung sich zunächst
darin äußerte, daß zahlreiche, bisher durch allerhöchste Aufträge vor-
wiegend in Anspruch genommene Kräfte frei wurden und sich Auf-
gaben zuwandten, welche dem täglichen Leben näher standen, Hatte
sich somit in Folge der die höchsten Anforderungen an künstlerische
Leistung stellenden Aufträge ein Stamm von tüchtigen Kunsthand-
werkern herangebildet, so war die nächste Folge der plötzlichen Ein-
stellung der Aufträge die, daß dieser Stamm nun seine nicht mehr
gebundenen aber kräftig entwickelten Zweige nach allen Seiten hin
ausbreitete.

Die Befürchtung, daß das Münchener Kunstgewerbe durch den
Tod des Königs Einbuße erleide, ist demnach zwar insofern begründet,
als hierdurch eine wesentliche Minderung an großen Aufgaben eintrat;
allein der lange Zeit bis zur äußersten Spannung angestaute Strom
künstlerischer Schaffenskraft konnte sich nunmehr befruchtend über das
ganze Kunstgewerbe ergießen; die deutsch-nationale Kunstgewerbe-Aus-
stellung 1888 wird den Beweis zu liefern haben, daß das Münchener
Kunstgewerbe noch ungebrochen auf seiner unter König Ludwig II.

erglommenen Höhe steht; Aufgabe dieser Zeilen soll es fein, ein ge-
drängtes Bild dessen zu geben, was etwa feit den traurigen Pfingst-
tagen ;886 aus dem Kreise des baper. Kunstgewerbe-Vereines hervor-
ging. Auf Vollständigkeit kann und will nicht Anspruch gemacht
werden; vorwiegend sollen solche Arbeiten in dieser Besprechung Platz
finden, welche im vereinslokale zur Ausstellung gelangten.

Was den stilistischen Standpunkt betrifft, den das Münchener
Kunstgewerbe zur Zeit einnimmt, so scheint es, daß sich in den letzten
Jahren der Schwerpunkt etwas nach dem Rococo hin verschoben hat.
vielleicht aber ist es richtiger, zu sagen: man ist von der ausschließ-
lichen Begünstigung der Renaissance abgekommen und hat auch das
Rococo, in gleicher Weise wie die Gothik, wieder in seine Rechte ein-
gesetzt. Line genaue Betrachtung dessen, was in den letzten Jahren
geschaffen wurde, überzeugt bald, daß die eigentliche Renaissance immer
noch vorherrscht und daß sich neben dem engen Anschluß an alte Vor-
bilder mehr und mehr auch das Bedürfniß nach Neubildungen geltend
macht. Die Tendenz, sich alten Vorbildern anzuschließen, findet man
noch am meisten bei den Möbeln, während Neubildungen mehr bei
dem Kleingeräthe ic. an der Tagesordnung sind.

Bestiunnend für den Lharakter einer Wohnungs-Ausstattung ist
und bleibt stets die Durchbildung, der Stil des Mobiliars, nament-
lich da, wo dasselbe mit den Räumen, für welche es bestimmt ist, ein
einheitliches Ganzes bildet. Zu den größeren Einrichtungen dieser
Art gehören in erster Linie die für die kgl. Schlösser gefertigten Ar-
beiten, an welchen A. Pössenbacher, J. Grünig & Sohn,
W. Till u. s. w. betheiligt sind; aus der erstgenannten Werkstätte
stammt auch das für das Schloß Linderhof bestimmt gewesene reiche
Prachtbett, welches nunmehr dauernd dem kgl. Nationalmuseum ein-
verleibt werden wird. Wir haben schon auf Tafel 3; des letzten
Jahrganges einen Theil des von Pöffenbacher für König Karl I. von
Rumänien eingerichteten Bibliotheksaales im Schlöffe zu Bukarest
gebracht und fügen jetzt bei, daß der Auftrag hierzu als ein Sieg über
eine scharf konkurrirende Pariser Firma, welche in der am rumänischen
Hof stark herrschenden Vorliebe für französische Industrie einen mächtigen
Bundesgenossen hatte, anzusehen ist; die treffliche Vollführung des
Auftrags veranlaßte den hohen Besteller dazu, die Münchener Firma
auch mit der Dekorirnng eines Billardzimmers (in Rococo) und eines
großen Wohnraumes mit Erker zu betrauen. Auch für das neue
fürstlich Taxis'sche Schloß zu Regensburg ist die Firma beschäftigt,
wenn auch nicht mit Arbeiten nach eigenen Entwürfen, sondern nach
denen des fürstlichen Baurathes Max Schultze. Eine eigenartige
Aufgabe bestand in der Ausschmückung eines in Greffonay (am Monte
Rosa) gelegenen Schlosses — 18 Zimmer in deutscher und italienischer
Renaissance, welche mit Decken, Vertäfelungen, Möbeln rc. auszn-
statten waren — indem die hohe Lage des Schlosses nur einen Trans-
port mittelst Maulthiere erträgt, somit die einzelnen Theile ein ge-
wisses Gewicht nicht überschreiten durften; unter den zahlreichen ander-
weitigen Aufträgen sind die meisten deutschen und mehrere österreich-
ische Großstädte vertreten. An den Arbeiten für das Taxis'sche Schloß
ist auch I. Steinmetz betheiligt; war es an dem hiezu gehörigen im
Vereinshause ausgestellten Buffet die Großartigkeit und Einfachheit,
welche hauptsächlich wirkt, so pflegen die von Steinmetz ausgestellten
Möbel in der Regel durch wohlvertheiltes plastisches Drnament und
vorzügliche Ausführung zu imponiren. Es fei in dieser Hinsicht nur
an das auf Tafel 1? und 18 (Jahrgang 1886) dargestellte, für Paris
bestimmte Buffet erinnert, welchem hin und wieder ähnliche Arbeiten
folgen; einen besonderen Reiz weiß Steinmetz seinen Möbeln durch
Hereinziehen neuer dekorativer Elemente zu verleihen. Eine große
Vielseitigkeit, sowohl nach Stilarten wie nach Techniken, entfaltet
G. Fritzsche, der selten eine Woche vorübergehen läßt, ohne ein
neues Stück in das Vereinslokal zu bringen; bald sind es einfache,
solide Kneipstühle, bald zierliche vergoldete Rococo-Tabourets, — bald
sind es Theile eines reich ausgestatteten Speisezimmers in Renaissance,
bald Theile eines schlichter gehaltenen gothischen Schlafzimmers
u. s. w. Edle Detailbildung, gute Größenverhältniffe, Streben nach
Verwendung neuer dekorativer Motive, zeichnen seine Arbeiten aus.
Auch er ist u. A. für den Taxis'fchen Hof beschäftigt: die reich ge-
 
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