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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 5/6
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Vereinschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0042

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* 38 -*

Venems-6hromk.

Kunstgewerbliche Rundschau.

(Fortsetzung.)

o sehr München die künstlerischen Vorbedingungen zu
einer reichen Entfaltung einer Keramik in plastischer
wie in malerischer Beziehung erfüllt, so wenig scheint es
sich die technischen aneignen zu können; denn es ist auf-
fallend, daß es bei dem gewaltigen hier vorhandenen
Aünstlermaterial noch keinem Kapitalisten eingefallen ist, dessen Produk-
tivität in dieser Richtung zu verwerthen. was wir am Schluffe des letzten
Abschnittes von keramischen Malereien erwähnt, kann nicht als
Gegenbeweis angeführt werden, denn hier handelt es sich nur in
den seltensten Fällen um selbständiges, originales Erfinden,
sondern meist um Lopircn. Außer den über alle Stile sich ver-
breitenden Oefen von I. F. K. ksausleiter, der sich für seine
Modelle vielfach der ksilfe des Bildhauers Jos. Glatz bedient,
finden sich z. B. in der Ausstellungshalle des
Kunstgewerbevereins Steiuzeugkrüge rc. von
Merkelbach & wick in Grenzhausen, —

Majoliken undsallerhand Bearbeitungen von prä-
historischen und Südsee-Töpfereien von Ed.

Paniel in Benrath bei Düsseldorf, — prächtige
Imitationen des alten Rärener Steinzeugs von
G. Schiffer in Rären, — Schweizer Majoliken
von I. Wanzenried in Thun, — Fayencen aus Kaiserslautern,

Steingut von villeroy & Boch in Mettlach rc.,-aber

aus München Nichts. Liner um so größern Pflege scheinen sich
einige Surrogattechniken zu erfreuen; so werden in letzter Zeit
z. B. Blumen, aus Kautschuk modellirt und möglichst getreu
bemalt, an Väschen, Spiegeln, Rähmchen rc. angebracht. Aber
alle diese, namentlich von den Damen T. Pailler, I. Dürk,

M. kseigl, z. Th. sehr gut gemachten Rosen, Apfelblüthen rc.
werden überboten durch die unendlich zarten Wachsblumen
der Frau Aug. Schültke, welcher cs gelungen ist, den ganzen
Frühlingsschmelz in ihre zarten Blumengebilde zu zaubern.

Mit dem Glas (speziell dem ksohlglas) steht es in
München etwas besser, insofern wenigstens, als das zahlreiche,
im bayerischen Wald gefertigte Glas z. Th. hier geistig ent-
standen und nur dort ausgeführt ist, und als München
immerhin der Stapelplatz für all' diese Produkte ist. Es ist
auffallend, wie rasch gerade bei der Glasmacherei und der
Gläserbemalung der wechselnde Geschmack oder die Neuerungs-
sucht ihre Wirkung äußern; kaum hatte man
sich recht der altdeutschen Gläser mit den ge-
sponnenen Reisen, den Tropfen und Beeren rc.
erfreut, da begannen schon heraldische Malereien
zweifelhaften werthes die anspruchslose, aber solide
Dekoration zu verdrängen. Es folgten dann ver-
suche mit Perlenbesetzung, sog. Barokgläser mit
aufgelegten Blättern und Früchten, elfenbein-
farbiges Glas mit rosa Fütterung rc. und von
den alten Gläsern hat fast nur noch der „Römer"
sein angestammtes Recht behauptet. So
brachte B. v. Poschinger (Zwieselau bei
Zwiesel) neue Formen desselben mit reichem J
und schön gegliedertem Fuß. Besonders "i
interessant und reizvoll sind dessen Blumen-
vasen, Trinkgläser rc., welche am Rand
mit einem kräftigen Gelb oder Rosa beginnen
und nach unten allmählich das krystallhelle
Glas zum Vorschein kommen lassen; auch seine
versuche mit transparenten Glasfarben find
beachtenswertst, da sie den Keim zu einer weitern Vervollkommnung
bilden. Die genannte, wie auch die Theresienthaler und Frauen-
au er Glashütte sind bekanntlich im Besitz mehrerer Glieder der Familie
v. Poschinger, die schon im Jahrhundert die Glasmacherei in
Zwieselau betrieben. — In ähnlichem Fahrwasser wie die Genannten
bewegen sich die der Familie Steigerwald gehörigen „Regen Hütte"
und „Iosexhinenhütte"; nur sind sie vielleicht noch vielseitiger. So

Geschmiedeter Kleiderständer im Cafö Luitpold.
Nach Entwurf von Bildhauer Jos. v. Aramer ausgeführt von
Fr. Ansoul & Eie., München.

Nach einer Photographie gezeichnet von Wilh. Lehmann.

finden sich namentlich äußerst schwungvolle Emailmalereien, welche
mit großer Sicherheit den Charakter gewisser altdeutscher Gläser tref-
fen; auch der Krystallschliff wird wieder geübt.

Die hierzulande am meisten gebrauchte Glassorin — der Bier-
seidel — kann des Deckels nicht entbehren, und das ist wohl die kjaupt-
ursache, weßhalb sich das Zinn hier einer so sorgfältigen Psiege er-
freut. Die größte Auswahl an hierhergehörigen Arbeiten hat zweifels-
ohne I. Lichtinger, der allen Geschmacksrichtungen gerecht
werden kann- glatte, fein xrofilirte Deckelkannen wechseln ab
mit reliesirten, reich ornamentirten Krügen und an den von ihm
mit Deckel versehenen Gläsern und Steinzeugkrüglein hat er —
&em kjumor sein Recht gebend — ebenso schwungvolle wie sinnige
Malereien machen lassen. Auch G. waltenberger (Aibling)
und A. Schreiner (Nabburg) streben nach ge-
sunden Formen und während der letztere sich vor-
wiegend aus Triukgefäße, Abendmahlskännchen rc.
verlegt, sucht der erstere namentlich sein Geschick
in Graviren und Aetzen von Sxielschälchen, Tellern,
Platten zur Geltung zu bringen, von Einfluß
waren hier u. A. die von I. p. Ertl (in Lger, si)
im vereinslokal ausgestellten alten Jinngravir-
ungen und deren Imitationen, die sämmtlich gesunde breite
Striche zeigten.

Wenige Zweige des Kunstgewerbes haben sich in den
letzten \5 bis 20 Jahren so rasch entwickelt, wie die Kunst-
schlosserei. Nicht allein hat sie sich wieder in eine große
Zahl technischer Fertigkeiten der Alten hineingefunden, sondern
sie hat auch manche derselben in ausgedehnterem Maßstab aus-
üben gelernt — wie z. B. die Treibarbeit — und endlich
hat sie im Bewußtsein ihres Könnens ihr Schaffensgebiet in
einer Weise erweitert, die schon bisweilen die Grenzen des praktisch
und künstlerisch Zulässigen überschreitet: Uhrgehäuse, Spiegel-
und Photographie-Rahmen, Tafelaufsätze und Aehnliches werden
darum auch wohl mit der Zeit von der Tagesordnung ver-
schwinden. Stilistisch wird heutzutage kaum ein Material so
seinen Eigenschaften entsprechend behandelt wie das Schmiede-
eisen, sei es in der mehr im Dienst der Architektur stehenden
Bauschlosserei, sei es in der sich auf das kjausgeräthe beschrän-
kenden Kleinschmiedekunst.

Als Vauptvertreter der ersteren Richtung
muß in erster Linie bsofschlossermeister Dietr.
Bußmann genannt werden. Aus der großen Zahl
seiner in München verbliebenen Arbeiten der
letzten Zeit sind zunächst das vauptportal, die
Treppen und Fenstergitter in der „Bayr. Vereins-
bank" (entworfen vom Architekten Martens,
Berlin) zu nennen; war hier ein mehr moderner
Stilcharakter einzuhalten, so gaben andere Auf-
gaben Gelegenheit, die Behandlung der Stile
früherer Jahrhunderte zu zeigen, so die
deutsche Renaissance im Treppenhaus der
Villa Fahrmbacher (innere Ausschmückung
entworfen von Prof. Romeis) und an den
Aron- und Wandleuchtern des katholischen
Gesellenkasino's, — das Rococo an dem
Trcppengitter des Palais v. pirsch (Imitation
des Gitters im Lotta-bfause), verschiedene
Beleuchtungskörper für Gas und Glüh-
lichter für die Franziskaner-Bierhalle in
Berlin (Architekt Gabr. Seidl), von größeren, nach auswärts
gelieferten Arbeiten sind besonders ermähnenswerth: für das Leip-
ziger Lonservatorium 3 große (4,8/2,4 m) Thore, entworfen von
Baudirektor Licht daselbst), für die Villa Steins in Köln Treppen-
gitter , vestibullaternen rc. (entworfen von Baurath Pflaume),
für das Vberlandesgericht in Köln 2 große Gitterthore, Treppen-
geländer, ;4 Kronleuchter für Gas zu 24, und ;2 Flammen,
 
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