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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 5/6
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Ewerbeck, Franz: Flämische und niederländische Holzarbeiten der Renaissance-Periode, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0037

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Fig. I. von der windfangthüre zu Audenarde. p. van SdjeIben 153(.*)

ZlämiUk und uik-MudiUk HolWökltM M RensiffMce-Perisdk.

von Professor zfr. Lwerbeck lAachen).

icht selten hört man die Frage aufwerfen, in wie
fern es als wünschenswerth erscheinen dürfte,
immer und immer die Werke unserer Vorfahren
zu studieren und zu kopieren, als wenn der
Architekt, der Bildhauer, der Meister von heute, nicht eben
sowohl im Stande wären etwas durchaus sebstständiges und
künstlerisch eben so werthvolles zu schaffen wie unsere Vor-
fahren von \550. Darauf ist zu entgegnen, daß es etwas
Anderes ist, die alten Arbeiten genau studieren und genau
kopieren; das eingehende Studium vollendeter alter Arbeiten
sowie der vergleich der Werke unter einander wird uns
nach einiger Zeit befähigen das Charakteristische der Kunst-
periode und deren Feinheiten zu erfassen, die Konstruktions-
methoden uns anzueignen und die Formen dieser Epoche
ganz frei zu verwenden resp. dieselben im Sinne jener Kunst
weiter zu entwickeln, wobei von einem Kopieren jener alten
Werke durchaus nicht die Rede zu sein braucht. Dabei
sollten wir unsere Aufmerksamkeit ganz besonders auf die
einfacheren Erzeugnisse des Kunstgewerbes richten; denn es
ist bekanntlich unendlich viel schwieriger, mit knappen Mitteln
etwas Schönes, dem Auge Wohlgefälliges zu schaffen als
mit großen Summen, aber gerade Gegenstände dieser Art
finden im Allgemeinen weniger Beachtung als fie verdienen,
weil sie weniger anspruchsvoll auftreten, während an sog.
Schaustücken unsere öffentlichen Sammlungen keineswegs
arm sind.

Es wird freilich stets nothwendig sein, die vorhandenen
Ueberlieferungen nach ihrem künstlerischen Werthe streng zu *)

sichten, da nicht Alles was jener außerordentlich schaffens-
freudigen Zeit angehört, ohne Anterschied als schön und
nachahmenswerth gelten kann und sowohl architektonische
als auch kunstgewerbliche Ungeheuerlichkeiten im J6. Jahr-
hundert eben so häufig auftreten als in unseren Zeiten.
Ich möchte sogar noch weiter gehen und behaupten, daß
gerade jene Kunstperiode, welche wir mit dem Namen
„Deutsche Renaissance" bezeichnen, viel reicher ist an Aus-
schreitungen nach der einen oder der anderen Seite hin, an
Werken einer überspannten Einbildungskraft — man denke
nur an Wendel Ditterlin — an gesuchten und dem
Material nicht angepaßten Motiven, an Rohheiten in der
Durchbildung der Form seltener an Flachheiten) als irgend
eine andere Zeit. Die Thatsache ist leicht zu erklären.
Als die Kunst sich endlich frei fühlte von den Schranken
einer durchaus einseitigen Schulung in mathematisch hand-
werklichen Formen, welche das spätere Mittelalter heran-
gebildet hatte, fanden sich, abgesehen von einigen tonan-
gebenden Meistern, wie Hans Holbein, nicht so bald die
erforderlichen Kräfte um den entfesselten Strom in richtige
Bahnen zu leiten. Die Italiener hatten ihre antiken Vor-
bilder, zu deren Studium sie immer und immer wieder
zurückkehren konnten und welche sie, trotz vielfach zu Tage
tretender Neigung zu Ueberschwänglichkeiten, vor den
schlimmsten Fehltritten bewahrten. In Deutschland und
fast überall diesseits der Alpen war das anders: die Ein-
wirkungen Italiens waren nicht unmittelbar genug, die dort-
igen Vorbilder nicht Jedem erreichbar, und so sehen wir denn

*) Aus Fr. Lwerbeck's „Renaissance in volland und Belgien"; ebenso Fig. \6. — Der schwarze Buchdruck läßt leider diese in
Kreidemanier gezeichneten Reliess nicht völlig zu der ihnen eigenen zarten Wirkung kommen. — Die Profile bei Fig. 2 und 4 in wirkl. Größe.

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Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.

*888. Heft 5 Sc 6 (Bg.
 
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