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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

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Heft 1/2
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Gmelin, L.: Ein verlorener Kirchenschatz: Mittheilungen aus dem "Heilthumbuch" der St. Michaels-Hofkirche zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0005

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Stillleben, nach dem im Festsaal des Aunstgewerbevereinshauses (München) befindlichen, von Professor Rud. Seitz
als tvanddekoration gemalten (Original gezeichnet von E. S a ck (München).

Tin verlorener MMDO.

Mittheilungen aus dein „heilthnmbnch" der St. Michaels-Hofkirche zu München.

von Prof. %. Gmelin?)

Allbekannt ist feit zwei Menschenaltern, was
Aönig Ludwig I. von Bayern für feine
Residenz in künstlerischer Hinsicht geschaffen
hat; und was fein Enkel Ludwig II. für
die Aunst und das Aunstgewerbe gethan,
das geht heute von Mund zu Mund. Der mächtige Drang
zur Aunstpflege, welcher vornehmlich diese beiden Aönige
beseelte, ist aber nicht ihnen allein eigenthümlich; er ist
vielmehr ein Erbtheil des wittelsbachifchen Kaufes. Nament-
lich leuchten die Herzöge Albrecht IV. (V. 1550—1579)
und Wilhelm V. (f579—I5c)7, ff 1626) durch ihre eifrige
Förderung der Aünste hervor; der ihnen angeborene Aunst-
sinn fand in der Zeit, in der sie lebten, die reichste Nahrung.
§0 wurde Albrecht durch seinen von feinem Geschmacke
geleiteten Sammeleifer, der sich mit Vorliebe den Werken
der Aleinkunst zuwandte, der eigentliche Gründer der hervor-
ragenden kunstgewerblichen Sammlungen Münchens, womit
er sich in hervorragendem Maaß ein Recht auf Dankbarkeit
unseres heutigen, namentlich des Münchener Aunstgewerbes,
errungen hat.

Sein Aunstsinn und fein Sammeleifer vererbten sich
auf seinen Sohn Wilhelm V., bei dessen schwärmerisch-
religiösem Sinne es nur natürlich war, daß sich eine gewisse
Vorliebe für solche Aunstobjekte entwickelte, die in irgend
einer Beziehung zur Airche standen. Zu seiner Zeit war
namentlich durch die mächtige Entwicklung des Zefniten-
Grdens das religiöse Leben zu breitester Entfaltung ge-
diehen; Herzog Wilhelm selbst, welcher besonders seit seiner
Vermählung mit Renata von Lothringen (1568) sich dem
Einfluß der Jesuiten mehr und mehr hingab, errichtete

für dieselben bald nach Antritt seiner Regierung eine eigene
großartige Airche und ein Collegium, deren Grundstein er
am 18. April 1583 legte. Aber damit konnte sich der
Herzog nicht begnügen; er wollte auch dafür sorgen, daß
seine Lieblingskirche, welche er zur Erinnerung an seinen
Geburtstag — des Michaelistag 15^9 — dem Erzengel
Michael geweiht hatte, mit der ganzen damals so noth-
wendigen Pracht an kostbarem Airchengeräth u. s. w. aus-
gestattet werde. Ja, die Anfänge zu dieser Dotirung der
Zesuitenkolonie in München reichen sogar weiter zurück, als
die Gründung der Airche selbst. So schreibt der Herzog
in einem Brief vom 2. September 1582, daß er dem Eollegio
„noch etliche Sachen in Seidenwaaren herzugeben bewilliget
und versprochen," woraus er dem Adressaten die sofortige
Zustellung der Sachen an die Jesuiten anbefiehlt. Später,
als nach Einsturz des Thurmes (10. Mai 15fl0), welcher
an der Stelle des jetzigen rechten Querhauses stand, der
Bau, Mangels der nöthigen Geldmittel, in's Stocken gerieth,
sichert er den Jesuiten für den Fall seines Ablebens nicht
nur den Fortgang des Baues zu, sondern auch den Besitz
der reichen hinübergeschenkten Airchengeräthe. „Man solle
die Airche auch mit aller Sollennität consekriren und weihen,
auch alle Ornät, Meßgewandt, Monstranzen, Aelch, Heilig-
thumb, Tafeln, Trucifix, Leichter, Ampellen, und ander
Airchenzier, so wir zu diesem Gotteshaus allbsreits geschenkt
und verordnet, davon wir zwei sonderwahre Znventaria
mit unserer eigenen fürstlichen Hand unterschrieben, dem
Eollegio auch allbereits (einiges davon) übergeben haben,
bei dieser Airchen unverrückt, ungeschmälert und ungeändert
bleiben lassen."

*) (Eine von dem Verfasser getroffene Auswahl der Blätter dieses ffeilthumbuches wird demnächst im Verlage von Jos. Albert,
München, erscheinen; sie wird zo Blatt in Lichtdruck mit gegen hundert Abbildungen und zahlreichen Text-Illustrationen enthalten.

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Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-vereins München.

*888. Heft * L 2 (Bg. *).
 
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