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gaben machen.") Line Legende will wissen, daß Hans
Müelich die Entwürfe zu den Gegenständen gemacht hat;
aber abgesehen davon, daß dieser Meister 1575 gestorben
ist und die Schenkung des Herzogs aus beträchtlich späterer
Zeit datirt — was ja die Betheiligung Müelichs mit Ent-
würfen nicht ausschließt — so kann dieser Legende nicht
viel mehr Bedeutung beigelegt werden, als daß der Charakter
einzelner Stücke — wie es in der Thal der Fall — an
Müelich's Arbeiten erinnert. Die weitaus größte Mehr-
zahl aller Stücke ist sicher deutschen Ursprunges; von einigen,
und zwar zu den kostbarsten zählenden, ist indessen der
italienische Ursprung außer Zweifel. Mit voller Sicher-
heit sprechen bei zwei Rästchen und einem Kruzifix") so-
wohl innere als äußere Gründe dafür. Innere, insofern
der strengere Charakter der Formen und eine gewisse Vor-
nehmheit auf Italien weist, — äußere, indem sich aus
den im Index enthaltenen Angaben über die Bestätigungen
der Aechtheit der Reliquien — „ex dono Clemente VIII“,
„Roma missum“, „missum a Clemente VIII“ — mit
Bestimmtheit schließen läßt, daß jene Schaustücke, welche
durch römische testirnonia bestätigte Reliquien enthalten,
auch selbst aus Rom gekommen sind. Außerdem läßt sie
die Pracht der Ausstattung als der päpstlichen Würde ent-
sprechende Geschenke erscheinen.")
Fast wichtiger als die Frage über die Verfertiger oder
die Herkunft der einzelnen Theile des Schatzes ist diejenige:
wo ist dieser außerordentlich reiche Schatz hinge-
kommen? Die Antwort darauf erhalten wir zum Theile
aus dem Buche selbst. Da sagen schon Notizen von derselben
Hand, welche anno ^66^ die Vorrede geschrieben, daß diese
Kännchen „nit vorhanden", daß jene „Leichter verschmelzt
und gresser gemacht worden", u. s. w. mit einem Wort,
daß schon damals gar Manches nicht mehr vorhanden
11!) In der vom Verfasser geplanten besonderen Publikation wird
diese Frage eingehender behandelt werden.
") Dieses in sehr zerstörtem Zustand auf uns gekommene Kruzifix
bildet mit dem schon mehrfach genannten Reliquiarium den einzig noch
übrigen Rest des ganzen Schatzes.
I5) Siehe Tafel 8 dieses Heftes.
war.") Ausdrücklich heißt es von einigen Stücken „ist zu
Schwedischen Kriegszeiten in Rantzion geben worden";
rantzioniren nannte man damals das Loskaufen gefangener
Offiziere. Auch spätere Notizen aus dem XVIII. Jahr-
hundert, welche meist eingeklebt sind, berichten über einzelne
Abgänge; da ist ein Krucifix, dort ein „plättl", dann wieder
ein „Leichter gestollen worden" u. s. w. Wenn die Schweden,
welche vom s7. bis 3j. Mai f632 in München waren,
etwas dem Schatz entfremdet hätten, die patres von St.
Michael hätten gewiß nicht versäumt, darauf bezügliche
Bemerkungen zu machen; Gustav Adolf besichtigte damals
sogar uuter Führung des Iefuitenrektors die Kirche —
ob er auch den Kirchenschatz zu sehen bekommen, ist aber
wenig wahrscheinlich. Immerhin muß noch nach Auf-
lösung des Jesuitenordens (f773) ein beträchtlicher Theil
des ursprünglichen Kirchenschatzes, insbesondere der Schenk-
ungen Wilhelms V. und seiner Gemahlin vorhanden ge-
wesen sein, da Anton Crammer, „der churfürstl. Hofkirche
bei d. heil. Erzengel Michael probst", noch s776 in seiner
Beschreibung Münchens— des „teutschen Roms" —von
der Ausstattung der Kirche sagen konnte, daß „Alles herrlich,
die kostbare Auszierung der \2 Altäre, die Kleidung der
Priester, das vielfältige Gold- und Silberwerk im hinter-
laffenen Schatze der Stifter und anderer Fürstenpersonen".
Als Herzog Wilhelm den Auftrag ertheilte, jenes
heilthumbuch anzulegen, damit man „Zerbrochenes oder
Verlorenes wiederherstellen" könne, — da ahnte er nicht,
welche Wandlungen das Kunstgewerbe durchmachen werde,
bis es wieder den Geist der Arbeiten des XVI. Jahrhunderts
erfassen und in ihm schaffen lernte. Seine weise Fürsorge
hat leider nicht verhindert, daß fast seine ganze reiche
Schenkung verloren ging; aber sie hat die jetzt lebende
Generation in den Stand gesetzt, nach drei Jahrhunderten
die Schöpfungen seiner Zeit mit dem wieder erlangten
Rönnen von Neuem erstehen zu lassen.
von niedern Handleuchtern sagt der Text, daß sie erhöht
worden seien, „wie in dem andern Buch zu sehen"; in dem „andern
Buch" paßt der in Fig. \2 abgebildete Leuchter darauf: man hat einfach
1 zwischen Fuß und Schale einen hohen Schaft eingeschaltet.
Fig. ;z. Mittelstück einer Lassette.
X
Zeitschrift des bayer. Runstgerverbe-Vereins München.
1888. Heft 1 L 2 (Bg. 2).
gaben machen.") Line Legende will wissen, daß Hans
Müelich die Entwürfe zu den Gegenständen gemacht hat;
aber abgesehen davon, daß dieser Meister 1575 gestorben
ist und die Schenkung des Herzogs aus beträchtlich späterer
Zeit datirt — was ja die Betheiligung Müelichs mit Ent-
würfen nicht ausschließt — so kann dieser Legende nicht
viel mehr Bedeutung beigelegt werden, als daß der Charakter
einzelner Stücke — wie es in der Thal der Fall — an
Müelich's Arbeiten erinnert. Die weitaus größte Mehr-
zahl aller Stücke ist sicher deutschen Ursprunges; von einigen,
und zwar zu den kostbarsten zählenden, ist indessen der
italienische Ursprung außer Zweifel. Mit voller Sicher-
heit sprechen bei zwei Rästchen und einem Kruzifix") so-
wohl innere als äußere Gründe dafür. Innere, insofern
der strengere Charakter der Formen und eine gewisse Vor-
nehmheit auf Italien weist, — äußere, indem sich aus
den im Index enthaltenen Angaben über die Bestätigungen
der Aechtheit der Reliquien — „ex dono Clemente VIII“,
„Roma missum“, „missum a Clemente VIII“ — mit
Bestimmtheit schließen läßt, daß jene Schaustücke, welche
durch römische testirnonia bestätigte Reliquien enthalten,
auch selbst aus Rom gekommen sind. Außerdem läßt sie
die Pracht der Ausstattung als der päpstlichen Würde ent-
sprechende Geschenke erscheinen.")
Fast wichtiger als die Frage über die Verfertiger oder
die Herkunft der einzelnen Theile des Schatzes ist diejenige:
wo ist dieser außerordentlich reiche Schatz hinge-
kommen? Die Antwort darauf erhalten wir zum Theile
aus dem Buche selbst. Da sagen schon Notizen von derselben
Hand, welche anno ^66^ die Vorrede geschrieben, daß diese
Kännchen „nit vorhanden", daß jene „Leichter verschmelzt
und gresser gemacht worden", u. s. w. mit einem Wort,
daß schon damals gar Manches nicht mehr vorhanden
11!) In der vom Verfasser geplanten besonderen Publikation wird
diese Frage eingehender behandelt werden.
") Dieses in sehr zerstörtem Zustand auf uns gekommene Kruzifix
bildet mit dem schon mehrfach genannten Reliquiarium den einzig noch
übrigen Rest des ganzen Schatzes.
I5) Siehe Tafel 8 dieses Heftes.
war.") Ausdrücklich heißt es von einigen Stücken „ist zu
Schwedischen Kriegszeiten in Rantzion geben worden";
rantzioniren nannte man damals das Loskaufen gefangener
Offiziere. Auch spätere Notizen aus dem XVIII. Jahr-
hundert, welche meist eingeklebt sind, berichten über einzelne
Abgänge; da ist ein Krucifix, dort ein „plättl", dann wieder
ein „Leichter gestollen worden" u. s. w. Wenn die Schweden,
welche vom s7. bis 3j. Mai f632 in München waren,
etwas dem Schatz entfremdet hätten, die patres von St.
Michael hätten gewiß nicht versäumt, darauf bezügliche
Bemerkungen zu machen; Gustav Adolf besichtigte damals
sogar uuter Führung des Iefuitenrektors die Kirche —
ob er auch den Kirchenschatz zu sehen bekommen, ist aber
wenig wahrscheinlich. Immerhin muß noch nach Auf-
lösung des Jesuitenordens (f773) ein beträchtlicher Theil
des ursprünglichen Kirchenschatzes, insbesondere der Schenk-
ungen Wilhelms V. und seiner Gemahlin vorhanden ge-
wesen sein, da Anton Crammer, „der churfürstl. Hofkirche
bei d. heil. Erzengel Michael probst", noch s776 in seiner
Beschreibung Münchens— des „teutschen Roms" —von
der Ausstattung der Kirche sagen konnte, daß „Alles herrlich,
die kostbare Auszierung der \2 Altäre, die Kleidung der
Priester, das vielfältige Gold- und Silberwerk im hinter-
laffenen Schatze der Stifter und anderer Fürstenpersonen".
Als Herzog Wilhelm den Auftrag ertheilte, jenes
heilthumbuch anzulegen, damit man „Zerbrochenes oder
Verlorenes wiederherstellen" könne, — da ahnte er nicht,
welche Wandlungen das Kunstgewerbe durchmachen werde,
bis es wieder den Geist der Arbeiten des XVI. Jahrhunderts
erfassen und in ihm schaffen lernte. Seine weise Fürsorge
hat leider nicht verhindert, daß fast seine ganze reiche
Schenkung verloren ging; aber sie hat die jetzt lebende
Generation in den Stand gesetzt, nach drei Jahrhunderten
die Schöpfungen seiner Zeit mit dem wieder erlangten
Rönnen von Neuem erstehen zu lassen.
von niedern Handleuchtern sagt der Text, daß sie erhöht
worden seien, „wie in dem andern Buch zu sehen"; in dem „andern
Buch" paßt der in Fig. \2 abgebildete Leuchter darauf: man hat einfach
1 zwischen Fuß und Schale einen hohen Schaft eingeschaltet.
Fig. ;z. Mittelstück einer Lassette.
X
Zeitschrift des bayer. Runstgerverbe-Vereins München.
1888. Heft 1 L 2 (Bg. 2).