BLATTER der GALERIE
FERDINAND MÖLLER
OKTOBER 1929-HEFT5
„Der heutige Mensch ist betäubt —, er kann
nur Lautes empfinden. Wenn er nicht am
Kragen gepackt und nicht ordentlich ge-
schüttelt wird, bleibt er unberührt.
Aber das Laute ist nur ein Teil des Gan-
zen — wer weiß, ob das Leise (und Schweig-
same) nicht noch ein wichtigerer Teil des
Ganzen ist?“ W. Kandinsky
DAS GEISTIGE IN DER KUNST
Weltreklamegeschrei, Radiotengebrüll, Tonfilmgeheul: Ma-
schinerie, Betrieb, Bluff und kein Ende. Geblendet von so viel
künstlichem Licht, verwirrt von diesem Tempo jagender Knall-
effekte, sieht, hört und versteht man schließlich überhaupt nichts
mehr. Zur Abwehr getrieben, kommt man in die Versuchung,
dieser Betriebsamkeitshysterie einen geistigen Aktivismus ähn-
licher Geräuschapparatur entgegenzuwerfen und im Kampf gegen
die Wölfe mit den Wölfen zu heulen. Piscators Beispiel zeigt,
wohin das führen kann: Kunst als Fortsetzung der Wirklichkeit
mit anderen Mitteln. Je heftiger und dichter das Trommelfeuer
der Lärmsensationen, je wuchernder die Konkurrenz groben und
gröbsten Kalibers, um so offenkundiger, daß Geistiges in diesem
Höllenkonzert nur vernehmlich werden kann, wenn sein Klang
so verborgen, so rein, tief und still ist wie möglich.
Wenn die unwiderruflich letzten Rekorde keuchend ineinander
verkrampft durchs Ziel taumeln, dann wird es auch für die große
Runde der Öffentlichkeit still werden und Zeit zur Selbstbesinnung.
Einstweilen natürlich ist eine Ausstellung derart schweigsamer
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FERDINAND MÖLLER
OKTOBER 1929-HEFT5
„Der heutige Mensch ist betäubt —, er kann
nur Lautes empfinden. Wenn er nicht am
Kragen gepackt und nicht ordentlich ge-
schüttelt wird, bleibt er unberührt.
Aber das Laute ist nur ein Teil des Gan-
zen — wer weiß, ob das Leise (und Schweig-
same) nicht noch ein wichtigerer Teil des
Ganzen ist?“ W. Kandinsky
DAS GEISTIGE IN DER KUNST
Weltreklamegeschrei, Radiotengebrüll, Tonfilmgeheul: Ma-
schinerie, Betrieb, Bluff und kein Ende. Geblendet von so viel
künstlichem Licht, verwirrt von diesem Tempo jagender Knall-
effekte, sieht, hört und versteht man schließlich überhaupt nichts
mehr. Zur Abwehr getrieben, kommt man in die Versuchung,
dieser Betriebsamkeitshysterie einen geistigen Aktivismus ähn-
licher Geräuschapparatur entgegenzuwerfen und im Kampf gegen
die Wölfe mit den Wölfen zu heulen. Piscators Beispiel zeigt,
wohin das führen kann: Kunst als Fortsetzung der Wirklichkeit
mit anderen Mitteln. Je heftiger und dichter das Trommelfeuer
der Lärmsensationen, je wuchernder die Konkurrenz groben und
gröbsten Kalibers, um so offenkundiger, daß Geistiges in diesem
Höllenkonzert nur vernehmlich werden kann, wenn sein Klang
so verborgen, so rein, tief und still ist wie möglich.
Wenn die unwiderruflich letzten Rekorde keuchend ineinander
verkrampft durchs Ziel taumeln, dann wird es auch für die große
Runde der Öffentlichkeit still werden und Zeit zur Selbstbesinnung.
Einstweilen natürlich ist eine Ausstellung derart schweigsamer
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