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Bulletin du Musée National de Varsovie — 28.1987

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Nr. 1-2
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Kozak, Anna; Bräuer, Albrecht [Ill.]; Muzeum Narodowe w Warszawie [Mitarb.]: Gemälde und Zeichnungen Albrecht Bräuers im Nationalmuseum Warschau und Nationalmuseum Wrocław
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https://doi.org/10.11588/diglit.18903#0034
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auf vertrautem FuBe gestanden haben, da er von ihm einen Empfehlungsbrief fur das Stadelsche
Institut erhalten hat. Eine gewisse Fabelhaftigkeit der Darstellung und die lebendige Farbgebung
verbinden sicherlich unsere Komposition mit dem Schaffen jener Maler; auch das langgezogene
Format der Skizze IaBt an einige Kompositionen Moritz von Schwinds denken. Ein Ratsel ist
das Thema des Bildes. Die dargestellte Frau halt ein Buch in den Handen; sie ist also keine
Waldnymphe. Vielleicht sollte das die biiBende Maria Magdalena sein? Dem wiirde jedocb das
fehlende Kreuz widersprechen. Gewisse Analogien zur Illustration in der Ostdeutschen Galerie
in Regensburg kónnen suggerieren, dali die Frau die Braut aus dem Hohenlied darstellt. Bei
solcher Auslegung wiirde jedoch eine gewisse Genrehaftigkeit bei der Behandlung der Person
beunruhigen. Vorlaufig bleibt das Thema also weiterhin ein Ratsel.

Wie sieli aus den Erinnerungen eines Freundes Brauers aus seiner Studienzeit in Dresden,
J. F. Hoff, ergibt, hatte der Maler auch zu Peschel — seinem zweiten Lehrer neben Hubner —
ein gutes Verhaltnis, fur den er „ein lieber Schiiler gewesen"23 ist. Zu jener Zeit arbeitete der
Kiinstler viel an der Komposition Savonarola zum Verhór gefiihrt (die erst in Frankfurt a.M. vol-
lendet wurde) und zeichnete wahrend der gemeinsam unternommenen Ausfliigen viel nach der
Natur, erinnert sich Hoff30.

Die Entscheidung, nach Frankfurt a.M. auszureisen, war wohluberlegt. 1852 begab sich
Brauer dorthin, um unter Leitung E. Steinles zu studieren. Steinie war es, der in dieser Stadt,
die um 1830 das Hauptzentrum der Spatromantik bildete, nach dem Riicktritt Veits ais Direktor
des Stiidelsches Instituts im Jahre 1843 die Traditionen der nazarenischen Kunst fortsetzte.
Wie Brauer dazu gekommen ist, sich fur diese Richtung zu interessieren, kann man nur Ver-
mutungen anstellen. Gewisse Ziige der nazarenischen Kunst trug das Schaffen seines Lehrers-
Hubner, der 1824 ins Atelier W. Schadows in Dusseldorf eingetreten war. Wie E. Scheyer erwahnt,
war der Anteil der Schlesier an diesem Milieu beachtlieh31. Auficr Hubner studierten C.F. Lessing
Heinrich Miicke, Armand Pelz und Raphael Shall im Atelier des beriihmten Nazareners. Zeichen-
lehrer am Elisabethan-Gymnasium, an dem auch der Vater unseres Kiinstlers, Carl Brauer
unterrichtete, war seit 1834 Carl Hermann32, der wahrend seines Aufenthalt in Rom 1817 in
der Gesellschaft von Cornelius, Overbeck, Schnorr von Carolsfeld, Koch u.a. verkehrt, das-
Cafe Greco besucht und an den Feierlichkeiten zu Ehren Prinz Ludwigs von Bayern teilgenommen
hatte. Nach Schlesien zuriickgekehrt, verbreitete er dort die Ideen der nazarenischen Kunst.
Die Wege, auf denen sich das Interesse Brauers fur diese Stromung entwickelte und die ihn ins
Atelier Steinles fiihrten, konnten also verschieden sein. Seine ersten Werke in diesem Stil entstan-
den im Jahre 1853. Dazu gehbrte vor allem das beriihmteste Gemalde — Die Anbetung der
Hirten (Abb. 2). Das war nicht das einzige Werk Brauers zu diesem Thema. Wie eingangs erwahnt,
schuf er im selben Jahr die Komposition Die Geburt Christi, dereń Skizze und Karton er ver-
nichtete, und im Jahre 1856 die Sepiazeichnung Der Gang zur Schałzung nach Bethłehem.

Das Gemalde entstand, wie die meisten Aufsatze iiber den Maler berichten, unter der Aufsicht
Steinles, und der EinfluB dieses Kiinstlers ist in der Komposition Brauers tatsachlich unver-
kennbar. Bereits die auBeie Form — der bogenfbrmige AbschluB und die Ausfiillung der Flachen
zwischen dem oberen Rand und dem Rahmen mit einer Inschrift Ehre sei Gott in der Hóhef Friede
auf Erdenjund den Menschen ein Wohlgefallen — Mat. 1, 14) — erinnert an das im selben Jahr
entstandene Gemalde Steinles Christus am Ó/Łerg33 (Abb. 18), dessen lithographische Fassung34

29. J. F. Hoff, op. cit., S. 36.

30. ebenda, S. 196.

31. E. Scheyer, Scklesische Mahrei...,op. cii., S. 289ff.

32. ebenda, Kap. „Carl Hermami, ein oberschlesischer Nazarencr", S. 91—100.

33. E. v. Steinie. Des Meislers Gesamtwerk in Abbildungen, hrsg. von Alpbons M. V. Steinie, Miinchen 1910, Nr. 53a.

34. ebenda, Nr. 53.

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