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Bulletin du Musée National de Varsovie — 37.1996

DOI Heft:
Nr. 3-4
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Ziemba, Antoni: "Caravaggio und Caravaggisten": Ausstellungskonzept
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https://doi.org/10.11588/diglit.18945#0104
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Aspekt illustrierte in unserer Ausstellung die Grablegung aus der Pinacoteca
Vaticana. Mit Hilfe der Informationstexte, wie auch durch die
Ausstellungsarchitektur versuchten wir, das Bild in seinen eigentlichen Kontext
zurückzuversetzen, um auf diese Weise den ursprünglichen liturgischen
Funktionszusammenhang dieses Werkes für den Ausstellungsbesucher
anschaulich zu machen. Dies bedeutete, dem Durchschnittsbetrachter
grundlegende theologisch-liturgische Bildinhalte der Eucharistie, des
Turiner-Leichentuch-Kults, des Gebetes für Fegefeuerseelen usw. verständlich
zu machen, und nicht zuletzt auch die enge Verbindung des Gemäldes zu den
Andachtsformen des Hl. Philippus Neri und der Oratorianer der römischen
Chiesa Nuova - etwa auch mit der Musik als Andachtsform - zu akzentuieren.

Alle diese Probleme sind dem Kunsthistoriker natürlich nicht neu. So ging es
uns in erster Linie um den didaktisch-edukativen Effekt: dem mit dieser
Problematik wenig vetrauten Betrachter sollten die neuesten Forschungsergebnisse
der Spezialisten in möglichst verständlicher Form zugänglich gemacht werden.

Die zweite - kunstwissenschaftliche - Zielsetzung unserer Ausstellung bezog
sich auf die Präsentation der aktuellsten Forschungsergebnisse polnischer und
ausländischer Wissenschaftler zu caravaggesken Werken, die in polnischen
Sammlungen aufbewahrt werden. Dabei entschieden wir uns im Sinne des
Untertitels der Ausstellung Die verschiedenen Gesichter des Caravaggismus für
eine möglichst breit gefächerte Auswahl an Werken. Diese sollte den
Ausstellungsbesuchern vor Augen führen, daß der europäische Caravaggismus
keine strikte Stilrichtung bzw. Schule, sondern vielmehr eine weitgespannte,
facettenreiche und veränderliche Kunsterscheinung mit fließenden
Grenzkriterien war. Selbstverständlich deckt sich auch diese Ansicht mit dem
Standpunkt der neuesten Caravaggio-Forschung. Dementsprechend waren wir
bestrebt dem Betrachter, so weit uns dies möglich war, die unterschiedlichen
Entwicklungstendenzen innerhalb des Caravaggismus, wie auch die diversen
Redaktionen, Modifizierungen und Varianten der caravaggesken Formeln zu
verdeutlichen. So wurden einerseits Werke echter italienischer Caravaggisten
gezeigt wie Gentileschi, Gramatica, Cecco del Caravaggio, Serodine, und auf
der anderen Seite Bilder kaum caravaggesker Künstler, die entweder eine
caravaggeske Phase bzw. Episode durchlebt haben - wie etwa Carlo Dolci, oder
aber nur caravaggeske Impulse und Anregungen in der ihnen eigenen Malweise
weiterentwickelt haben, wie z. B. Bernardo Strozzi bzw. die nordeuropäischen
Venezianer: Nicolas Régnier, Johann Carl Foth, Willem Drost u. a.

Eine ähnliche Erscheinung ist auch bei den neapolitanisch-spanischen und
französischen Meistern zu beobachten. So verschmelzen etwa im Werk von
Trophîme Bigot der lokale provensalische Tenebrismus und Manierismus mit
den Einwirkungen des römischen Caravaggismus.

Etwas kompakter erscheint der niederländische Caravaggismus, wie etwa die
Werke von Ter Brugghen, Stom, Lievens, Bijlert, Bronchorst, Crabeth, Janssens
beweisen. Immerhin lassen sich die dortigen diversen Kunstformeln, Malweisen
und Stiltendenzen in etwa in einen Spannungsbogen zwischen Caravaggismus
und Klassizismus bzw. Rembrandtismus einschreiben.

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