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Bulletin du Musée National de Varsovie — 37.1996

DOI Heft:
Nr. 3-4
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Ziemba, Antoni: "Caravaggio und Caravaggisten": Ausstellungskonzept
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https://doi.org/10.11588/diglit.18945#0103
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Antoni Ziemba

Caravaggio
und caravaggisten

Ausstellungskonzept

Unserem Ausstellungskonzept lagen zwei Zielsetzungen zugrunde. Erstere -
edukativ - didaktischer Natur - sollte den Ausstellungsbesuchern
Persönlichkeit, Leben und Schaffen Caravaggios nahebringen (Abb. 1). Diese
Aufgabe kam dem ersten Teil der Präsentation zu.

Im ersten Saal gaben die Informationstafeln in den Lichtboxen Antwort
auf grundlegende Lorschungsfragen nach dem wahren Antlitz des Malers. Wir
folgten hier den neuesten Interpretationsmodellen von Maurizio Calvesi, Mina
Gregori, Giovanni Papi, Bert Treffers und anderen namhaften Forschern, und
suchten ihre Vorstellungen von Caravaggios Leben und Schaffen zu
popularisieren. Unser Anliegen war zu zeigen, wie stark das romantisch -
anekdotische Klischee eines artiste maudit, eines verdammten Künstlers, wie es
im 19. Jahrhundert etwa von Paul Verlaine propagiert worden war, das Bild
Caravaggios geprägt hatte. In der Ausstellung wurden die vier meistverbreiteten
Mythen bzw. Schemata der Caravaggio-Interpretation in Zweifel gezogen:
Caravaggio als armer, der Randschicht der Gesellschaft entstammender
Künstler, Caravaggio als Abenteurer und Zänker, der aufrührerisch und
rebellisch die Ordnungsregeln der Gesellschaft mißachtet habe, Caravaggio als
pietätloser Rebell, der in seinen Bildern die religiösen Konventionen und das
Decorum-Prinzip ganz bewußt verworten habe. Lind schließlich: Caravaggio als
deklarierter Homosexueller, der seine Sexualität in seinen frühen, angeblich
ostentativ homoerotischen Werken zum Ausdruck gebracht habe.

Diese Klischees hatten seit dem 19. Jahrhundert in prägender Weise auf das
Caravaggio-Bild der deutschen, englischen und amerikanischen Forschung
eingewirkt. Erst in den achziger und neunziger Jahren unseres Jahrhunderts
erfolgte eine Wende in der Sichtweise von Caravaggios Persönlichkeit und
Werk. So verwies Maurizio Calvesi zunächst auf die sinnbildhaften christlichen,
neoplatonischen und moralischen Inhalte in den frühen Gemälden des
Künstlers. Bert Treffers und nach ihm viele andere hoben die tiefgehende
Verankerung des reifen Oeuvres Caravaggios in der erneuerten Religiosität,
Devotion und Liturgie der posttridentinischen Kirche hervor. Eben diesen

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