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Bulletin du Musée National de Varsovie — 37.1996

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Nr. 3-4
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Klessmann, Rüdiger: Jan Lievens und die Utrechter Caravaggisten
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https://doi.org/10.11588/diglit.18945#0200
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kühner Argumente und Formen. Sein jugendlicher Geist hat nur das Erhabene
und Großartige im Sinn und so will er das Maß seiner Gegenstände nicht so
sehr erreichen als übertreffen”. Mit seinen kritischen Worten charakterisiert
Huygens - ohne Utrecht zu erwähnen - auch den neuen caravaggesken Stil,
den er gewiß aus eigener Anschauung kannte. Dagegen sei Rembrandt in der
’’Lebendigkeit der Empfindungen” Lievens überlegen, “er liebt das kleine
Format und gibt in der Abkürzung die Wirkung, die man in den größten
Formaten anderer vergeblich suchen würde”.

Diese treffende Analyse des persönlichen Stils der beiden Maler finden wir
durch den Vergleich von zwei Bildern desselben Themas bestätigt, die Szene des
Verrats Simsons durch Delila, welche Lievens und Rembrandt etwa gleichzeitig
um 1629 gemalt haben18. Lievens steigert in seinem Gemälde (Amsterdam,
Rijksmuseum, Abb.6) das Motiv des im Schoße der Delila schlafenden Simson
zu einer großen, nahezu klassischen Form; es ist eine statische Situation unter
bedrohlichen Vorzeichen und mit tragischen Zügen, die freilich durch die
übertrieben törichte Flaltung des Dieners fast karikiert wird. Dagegen treibt
Rembrandt in seinem kleinen Gemälde (Berlin, Gemäldegalerie) den Vorgang
des Überfalls auf eine dramatische Spitze zu. Mit Schrecken reagiert Delila auf
die von hinten hereinstürmenden Philister. In ihrem Gesicht spiegelt sich nicht
nur die Furcht vor der Gewalt sondern auch ihre Angst vor dem eigenen
Verrat. Wir verstehen, was Huygens mit der “Lebendigkeit der Empfindung”
bei Rembrandt gemeint hat.

In Lievens’ Gemälde des Simson hat sich gegenüber der Handwaschung des
Pilatus und dem Gastmahl der Esther ein bemerkenswerter Stilwandel
vollzogen. Die Körperformen und Bewegungen sind weicher und runder
geworden, das Licht fließt in sanften Übergängen über die Figuren hinweg,
sodals auch die Schatten durchsichtig bleiben. Die allzu vordergründige
Buntheit der früheren Bilder ist aufgegeben zugunsten einer sich mehr
zusammenschliessenden, vornehmlich auf Braun und Gelb gestellten Farbskala.
Für diese Stilphase gibt es im Werk von Lievens wenig Vergleichbares. Am
nächsten steht das Simson-Gemälde dem Bildnis des Constantijn Huygens19,
das Lievens um 1628/29 geschaffen hat und mit dem es in den weich
fließenden Formen und sanften Schattierungen sowie in der feinen
Durchführung der Hände und Stoffe übereinstimmt.

Ann Tzeutschler Lurie hat auf die Ähnlichkeit von Lievens’ Simsonfigur mit
der eines Gemäldes gleichen Themas von Honthorst hingewiesen (Cleveland,
Museum of Art)20. Auch hier handelt es sich um eine halbfigurige
Komposition, die - in ähnlicher Anordnung wie bei Lievens - auf drei

Die hier zitierte deutsche Übersetzung von Hans Seyffert (Kiel) im Ausst.Kat. Lievens (vgl.Anm.l),
S.33 f.

18 Ausst.Kat. Lievens (vgl.Anm.l), Nr.16, Nr.U 4 (R.Klessmann); Sumowski (vgl.Anm.l), Nr. 1185.

19 Ausst.Kat. Lievens (vgl.Anm.l), Nr.17 (R.Klessmann).

20 A.Tzeutschler Lurie, “Gerard van Honthorst, Samson and Delilah”, Bulletin of the Cleveland
Museum of Art, 56, 1969, S.333.

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