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Bulletin du Musée National de Varsovie — 37.1996

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Nr. 3-4
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Klessmann, Rüdiger: Jan Lievens und die Utrechter Caravaggisten
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https://doi.org/10.11588/diglit.18945#0208
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Brüssel und Löwen, die beide nicht mehr existieren, aber durch Vorstudien und
Kupferstiche teilweise rekonstruiert werden können. Es sind keine direkten
formalen Beziehungen zu den Rubens - Altären erkennbar, aber doch mag
Lievens oder sein Auftraggeber von diesen gewußt haben. In der holländischen
Malerei ist ein nackter Greis in Lebensgröße ein fast unbekanntes Sujet. Mit
krassem Naturalismus hat Lievens den abgemagerten Körper gemalt. In der
scharfen Beleuchtung treten alle Knochen und Hautfalten, ja selbst die
geschwollenen Adern deutlich hervor. Vielleicht hatte Lievens italienische
Vorbilder vor Augen, die durch die Utrechter Caravaggisten in den Norden
gelangt waren. Allein die Haltung des Hiob verrät, daß eine gewisse
Verwandtschaft zu den Hieronymus-Darstellungen von Caravaggio und Ribera
besteht.

Der ehrgeizige, damals 24-jährige Lievens, der vergeblich versuchte,
Rembrandt in seinen kleinfigurigen Bildern zu übertreffen, stellte mit diesem
Gemälde erneut unter Beweis, daß die großfigurige Komposition sein
eigentliches Metier war, in dem er sich die führende Rolle nicht nehmen ließ.
Auch Rembrandt muß von dieser Leistung seines Rivalen beeindruckt gewesen
sein, da er selbst bis zu dieser Zeit kein Bild von vergleichbarer Monumentalität
geschaffen hatte. Bei Rembrandt erfolgte der Durchbruch zum großen
Historienbild erst nach seiner Niederlassung in Amsterdam drei Jahre später.

Es ergibt sich also, daß Lievens in der ersten Phase seiner künstlerischen
Entwicklung, das heißt in den Jahren 1624 - 1628, vornehmlich von der
Utrechter Malerei geprägt war, sei es direkt oder auf dem Wege über die
Haarlemer Kunstszene. Er ging in dieser Hinsicht Rembrandt voraus. Der
Utrechter Einfluß zeigt sich bei Lievens so stark, daß wir ihn für diese Zeit -
sowohl in seinem Stil als auch in seiner Thematik - als einen Caravaggio -
Nachfolger bezeichnen dürfen.
 
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