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Bock, Franz
Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittelalters: oder Entstehung und Entwicklung der kirchlichen Ornate und Paramente in Rücksicht auf Stoff, Gewebe, Farbe, Zeichnung, Schnitt und rituelle Bedeutung (Band 2) — Bonn, 1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.26751#0123
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107 —

seit dieser Zeit hin und wieder zu den ornamentalen Bandstreifen,
welche die Vorder- und Rückseite deryJaw^a schmückten, noch zwei
aarf/?*Mfag von derselben Breite hinzu, die transversal, einem schräg
ansteigenden Gabelkreuze, einem Y ähnlich, auf beiden Seiten des
Messgewandes sich gleichmässig erhoben und auf den Schulter-
stücken desselben zusammentrafen.
Es dürfte hier am Orte sein, die Frage aufzuwerfen: Wie
kam es, dass seit dem XI. Jahrhundert die aaU/irMfag, vornehm-
lich auf bischöflichen Messgewändern, sich zu der Form eines
Gabel- oder Schulterkreuzes alhnälig ausbildeten? Die Antwort
hierauf kann nicht fern liegen, wenn man sich die Gestalt und
Anlegungs weise des erzbischöflichen pafKa?^ vergegenwärtigt, wie
dasselbe in der oben angegebenen fernliegenden Kunstepoche, ältern
Bildwerken zufolge, von den Erzbischöfen getragen wurde. Nach-
dem das pa?<haw als bedeckendes Obergewand, ähnlich der Stole,
seine faltenreiche stoffliche Ausdehnung verloren hatte und nur
der ehemaligen decorativen Ausstattung, dem schmalen mit Kreu-
zen verzierten Streifen, der Name geblieben war, wurde dieses
auszeichnende Ehrengewand ein schmäleres Band, als $taa-
rach?, nach Anlegung des Messgewandes so auf den Schultern
vermittels beweglicher goldener Spangen befestigt, dass dasselbe
auf der Vorder- und Rückseite der cas?Ja als langer Bandstreifen
herunterhing und auf Brust und Rücken des Trägers von der
Mitte zu den Schultern hin schräg anstieg. Es lag nun nahe,
durch eine reiche Stickerei in Gold- und Seidenfäden auf den bei-
den Theilen des Messgewandes die Form des griechischen Tau als
ornamentales Beiwerk unbeweglich aufzunähen und zu befestigen, die
als auszeichnendes Ornatstück nur die Erzbischöfe und Metropoliten
in ähnlicher Form und Anlegungsweise beweglich auf derp/aa^a
zu tragen das Vorrecht besassen. Wir waren angenehm über-
rascht, eine ähnliche Auffassung des Ursprunges dieser gabel-
förmig gestalteten Tau auch bei Du Gange aJ roc. ca^a^a vor-
zufinden, der aus der Geschichte der Bischöfe von Autun eine
Stelle zur Begründung der eben ausgesprochenen Ansicht anführt,
die also lautet: „casula coloris aetherei, phrygio palmum hnbente
superhumeralis et rationalis efßgiem ad modum pallii archiepis-
copalis honorabiliter praetendebat, ') Durch eine kunstreiche Sticke-
rei, die in ihrem Aeussern die Gestalt des erzbischöflichen Palliums
nachahmte, wurde also bereits im Nil. Jahrhundert auf der Dor-
sal- und Pectoralseite der bischöflichen Casel der Mangel des eben-

*) Histor. Episcoporum Autisiodor., cap. 49.
 
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