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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0021
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— 13 —

Neben diesen unübertroffenen Darstellungen einer lebensfrohen und
.selbstbewussten, aber auch stolzen und schroffen Männerwelt verdanken
wir dieser Zeit des Meisters auch einige weibliche Bildnisse von grösster
Anmuth und zartester Weiblichkeit. Das schönste Beispiel derselben, eine
der reizendsten Schöpfungen des Pinsels, ist das Bildniss eines jungen
Mädchens aus der Haarlemer Patrizierfamilie van Berensteyn, nebst zwei
anderen Portraits vom Jahre 1629 und einem grossen Familienbildnisse
aus derselben Zeit, einem wahren Meisterwerke in der leuchtenden Färbung
und dem blonden Ton dieser Periode im Besitze der Berensteyn'schen Stif-
tung zu Haarlem. Naive Kindlichkeit ist hier mit einem vornehmen
Wesen in Haltung und Ausdruck so wunderbar gepaart, die kräftigen
und tiefen Farben der malerischen Tracht sind so harmonisch zusammenge-
stellt, in einen so feinen Ton gehüllt, dass Burger in seiner lebendigen
Beschreibung des Bildes zugleich Kubens und van Dyck, Velazquez und
Rembrandt darin zu sehen glaubt und doch den Frans Hals allein und
ganz darin erkennt.

Wenn wir im Museum von Haarlem nur die bisher besprochenen
Schützenstücke des Meisters gesehen haben, werden wir plötzlich erstaunt
vor einem Bilde stehen bleiben, das uns freilich — wie jedes Bild des
Frans Hals, den Namen seines Meisters sofort entgegenruft, das uns aber in
vielen Beziehungen fremdartig erscheinen wird. Woher dieses eigenthüm-
liche Helldunkel? woher der warme, fast goldige Ton? woher diese
charakteristischen Eigenschaften eines Rembrandt in einem Bilde des F.
Hals, welches 1641, also nur zwei Jahre nach jenem grossen Schützenstücke
von 1639 entstanden ist? Unter dem frischen Eindrucke, welchen mir
dies Bild bei meinem ersten Besuche der Sammlung machte, notirte ich
mir in meinem Katalog: „Vorahnung von Rembrandt's Staalrneesters"
im Museum von Amsterdam (vom Jahre 1661), und, wie ich später er-
fuhr, hatte das Bild denselben Eindruck auch auf Vosmaer und Burger
gemacht. Uebrigens steht dieses Bild unter den Werken des Meisters
nicht allein da; schon seit dem Jahre 1635 lässt sich in verschiedenen
Bildnissen ein grösserer oder geringerer Einfluss von Rembrandt's Kunst-
weise erkennen, welcher gerade um diese Zeit für die Richtung der ge-
sammten holländischen Malerei bestimmend zu werden beginnt. Dahin
gehören namentlich zwei weibliche Bildnisse im Museum zu Frankfurt und
im Museum van der Hoop zu Amsterdam, letzteres aus dem Jahre 1639.

Doch ist der Einfluss Rembrandt's, welcher in jenem Bilde der Vor-
steher des Elisabethstiftes vom Jahre 1641 am stärksten sich geltend
macht, nur ein vorübergehender; er bildet für Hals gleichsam nur das
Durchgangsstadium, die Anregung für eine neue Richtung seiner künstle-
 
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