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Bode, Wilhelm
Franz Hals und seine Schule: ein Beitrag zu einer kritischen Behandlung der holländischen Malerei — Leipzig, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.16216#0064
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— 54 -

vorsteht. Seine Phantasie ist ganz unerschöpflich darin, die komischen
Seiten des alltäglichen Lebens zu erfassen und ihnen einen malerischen
Ausdruck zu geben. In diesem Reichthum, in diesem absichtlichen
Streben steht J. Steen freilich in schroffem Gegensatz zu Hals und zu
seinen Schülern. Aber die individuelle Auffassung der einzelnen Charak-
tere, welche ihm freilich nicht mehr Selbstzweck ist, hat Steen doch mit
TTals gemein; an den lebendigen Bildnissen, den komischen Einzelliguren
desselben könnte sich Steen begeistert und gebildet haben. Und diese
Vermuthung gewinnt an Halt, wenn wir uns unter den Werken
Steen's näher umsehen: Eine Anzahl von Bildern des Meisters, gewöhn-
lich Gesellschaftsstiicke, in welchen das Thema „Wein, Weib und Gesang"
in den verschiedensten Variationen zur Darstellung kommt, charakte-
risiren sich durch eine grosse Leichtigkeit aber zugleich auch Flüch-
tigkeit des Machwerks und durch die helle, zuweilen selbst bunte
Färbung als Jugendwerke des Meisters. Um uns darüber ganz ausser
Zweifel zu lassen, verfehlt Jan Steen nur selten, seine jugendliche
Gestalt unter der heiteren Gesellschaft anzubringen. Das bezeichnendste,
freilich auch das einzige mir in öffentlichen Sammlungen bekannte Bild dieser
Art befindet sich in der herzogl. Sammlung zu Dessau: Eine im Sta-
dium der Heiterkeit bereits weit vorgeschrittene Hochzeitsgesellschaft geleitet
das junge Ehepaar zum Brautgemache — also schon ein acht Steen'sches
Sujet. In einen kleinen Räume hat der Meister hier 27 Figuren zu-
sammengedrängt; die Anordnung ist noch eine rein zufällige, die Zeich-
nung nachlässig aber sehr flott; die farbigen Stoffe sind in fast skizzi-
render Weise angegeben, die Köpfe mit breiten Pinselstrichen modellirt;
die Färbung ist gleichmässig hell und frisch, die Charaktere sind noch
mehr typisch gehalten, kurz in Allem verräth sich hier ein enger An-
schluss an die Kunst weise des Dirk Hals, dem selbst einige Typen der
Figuren entlehnt zu sein scheinen. Der Einfluss, der in diesem frühesten
Jugendbilde deutlich hervortritt, lässt sich auch noch in der folgenden
Entwicklungszeit erkennen. Der küstliche „Brautzug" vom Jahre 1653
bei Six in Amsterdam, das,, Schäkernde Paar" in Frankfurt, „Wein und
Liebe" bei Suermondt, die „Orgie" bei van Hoop, welche eine auffallende
Verwandtschaft mit einem schon besprochenen Bilde des J. A. Duck in
Schieissheim aufweist, — alle diese frühen Meisterwerke verrathen noch
bei aller selbständigen Eigenthümlichkeit und Vollendung die Anknüpf-
ungspunkte an die Schule des Hals. Und scheu wir uns nun in der
Biographie des Meisters um, so finden wir hier in der That einen Anhalt
zur Bestätigung der Ueberzeugung, die wir aus seinen Bildern gewonnen
haben. Herr T. van Westrheeno, der Monograph des J. Steen, theilt
 
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