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Bode, Wilhelm
Kunst und Kunstgewerbe am Ende des neunzehnten Jahrhunderts — Berlin, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.16721#0177
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— 167 —

jetzt aufspriessen sehen wie die Pilze nach dem Regen,
verdienen solchen Spott. Obenein sind dieselben
nicht einmal wirklich originell; sie scheinen nur so.
Denn wenn man den Dingen etwas auf den Grund
geht, so entdeckt man, dass die geschwungenen
Formen doch im Rokoko und Barock ihren Ursprung
haben, dass die Dekorationen sehr häufig von dort
entlehnt sind, oder in der Gotik, in der romanischen
Zeit, bei den Japanern, Aegyptern u. s. w. ihre Vor-
bilder haben und nur in wilder Verzerrung und Ver-
mischung angewendet werden.

Der Eindruck, den uns die Kunst an der "Wende
des Jahrhunderts im grossen und ganzen macht, ist
also kein erfreulicher: ein Gähren und Brodeln, ein
Suchen und Haschen überall, Unbestimmtheit und
Ungewissheit, Regellosigkeit und Formlosigkeit, die
Stilwidrigkeit als Grundlage eines angeblichen neuen
Stils! Das scheinen freilich keine günstigen An-
zeichen für die Entwickelung im neuen Jahrhundert,
zumal wenn man berücksichtigt, wie rasch und voll
der neue Kurs vom ersten schüchternen Einlenken in
dieses neue Fahrwasser getrieben hat, wie breit sich
der Manierismus in allen Künsten macht und wie
selbstbewusst und laut er auftritt. Und doch sind
die Verhältnisse und Bedingungen, unter denen die
Wendung eingetreten ist, einer neuen, selbständigeren
Richtung der Kunst durchaus günstig, und die Art,
wie sie zuerst aufgetreten ist und sich namentlich
bei den englischen Völkern zu beiden Seiten des
 
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