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Bode, Wilhelm
Florentiner Bildhauer der Renaissance — Berlin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.42066#0378
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Florentiner Bildhauer der Renaissance

die Empfindung hervor, dass die Künstler ihrer innersten Ueber-
zeugung und ihren Anschauungen hier gewaltsam Zwang ange-
than haben, wodurch sie an der vollen Bethätigung ihres Empfin-
dens und Könnens gehindert wurden. Wie die Bewegung Sa-
vonarolas teilweise eine revolutionäre war, wie dieselbe vielfach
gewaltsam und unnatürlich in die Entwickelung des politischen
und sittlichen Lebens von Florenz eingriff und dadurch ihr rasches
und jähes Ende selbst heraufführte, so hat auch die darauf fussende
Kunstrichtung durch die Ueberstürzung der Umkehr zum Teil
die Grundbedingungen einer gedeihlichen Kunstentwickelung, naive
Auffassung und ernstes Naturstudium, erschüttert. Sie bekundet
darin nicht nur ihre Schwäche, sondern trägt dadurch auch von
vornherein den Keim ihres kurzen Bestehens in sich. Auf die
Entwickelung der Hochrenaissance hat sie aber weit über Florenz
hinaus und auf den Charakter der ganzen cinquecentistischen Kunst
einen eigentümlichen Einfluss ausgeübt.
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf unsere Gruppe
der Beweinung Christi von Giovanni della Robbia als der besten
unter den gleichartigen Arbeiten desselben, um auf Grund dieser
allgemeinen Betrachtungen ein abschliessendes Urteil über den
Wert und die Bedeutung derselben zu gewinnen. Giovanni hat
in diesen Gruppen keineswegs etwas Neues geschaffen: in Ober-
italien begegnen wir der Pieta in plastischen Bildwerken schon
an der Wende des XIV. zum XV. Jahrhundert; mehrere Jahr-
zehnte vor Giovanni hat Niccolö dalh Area seine Gruppe der
Beweinung Christi in S. Maria della Vita zu Bologna gearbeitet;
gleichzeitig mit jenen Florentiner Werken, zum Teil selbst noch
früher, entstanden die Gruppen des Guido Mazzoni aus Modena.
Aber während die ersteren, wohl im Anschluss an nordische Ar-
beiten, nur auf zwei Figuren beschränkt sind und eine künst-
lerische Abrundung der Gruppe noch gar nicht erstreben und die
letzteren in ihrer Anordnung und in dem Zeitkostüm verschiede-
ner Nebenfiguren deutlich ihre Abkunft von den religiösen Schau-
spielen der Zeit erkennen lassen, erscheinen Giovannis Gruppen
nach rein künstlerischen Regeln aufgebaut und aus innerem reli-

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