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Witkowski, Georg; C. G. Boerner, Auktions-Institut, Kunst- und Buchantiquariat
Katalog (Nr. 5): Almanache und Taschenbücher — Leipzig: C. G. Boerner, 1908

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Kalender und Almanache. Von Georg Witkowski
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https://doi.org/10.11588/diglit.54935#0007
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III

im Äusseren der Würde einer hohen Landesregierung angepassten
Bande, erwarb den Rang einer offiziellen Persönlichkeit und diente
für die folgenden Generationen als Geschichtsquelle.
Aber damit war immer noch nicht der Gipfel der Entwicklung
erreicht. Dazu bedurfte es noch jenes letzten Fortschritts, der überall
den Abschluss der Kulturentwicklung bedeutet. Erst wenn der Mensch
das Bedürfnis empfindet, allem, was ihn umgibt, den Stempel seiner
Eigenart aufzudrücken, erst wenn die Gegenstände des Bedürfnisses
durch die Kunst geadelt und in die Sphäre sinnlichen Wohlbehagens
emporgehoben werden, ist die höchste Stufe erklommen.
Für die deutsche Kultur bedeutete das Zeitalter der Klassiker
diesen Gipfelpunkt. Das grosse Jahrhundert, das mit Klopstocks Auf-
treten 1748 begann und mit den Märztagen von 1848 endete, liess
auf dem Boden eines dürftigen Wohlstandes die reichsten Blüten des
Geisteslebens erwachsen. Bescheidener Schmuck gab dem grossartigen
inneren Reichtum des Daseins ein Gewand, das in seiner liebens-
würdigen Anmut von allem Prunkhaften, Imponierenden weit entfernt
war, aber um so freundlicher und wärmer noch heute jeden anmutet,
der künstlerischen Feingefühls für zarte Reize empfänglich ist. Wir
besitzen nichts, was sich der edition des fermiers-generaux oder den
„Baisers“ Dorats an Pracht der Ausstattung zur Seite stellen dürfte,
und doch neigt sich die Wage der deutschen Bücherfreunde seit
geraumer Zeit zu Gunsten der weit einfacheren Drucke, in denen die
Werke unserer Dichter und Denker des achtzehnten Jahrhunderts
zuerst an die Öffentlichkeit traten, nicht nur weil es unsere eigensten
Schätze sind, die wir in ihrer ersten, den Zeitgeist, dem sie ent-
stammen, ausdrückenden Fassung zu besitzen wünschen, sondern weil
wir in der schlichten und doch so feinsinnigen Hülle mit tiefem
ästhetischen Wohlbehagen die völlig entsprechende Form des darin
niedergelegten Geistes empfinden.
Fragt man nun, wo die wirksamsten und liebenswürdigsten Reize
dieser intimen Buchkunst der klassischen Zeit sich entfalten, so ist

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