Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bötticher, Carl
Der Zophorus am Parthenon: hinsichtlich der Streitfrage über seinen Inhalt und dessen Beziehung auf dieses Gebäude — Berlin, 1875

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4096#0134
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2. Heinrich Brunn: Bildwerke des Parthenon.

131

gottesdienstlichen Gebrauche entzieht: was sehr wohl von der blossen dedicatio,
dvd&satg, zu unterscheiden ist. Von dem Augenblikke an wo ein Gegenstand rite
mit dieser unlösbaren Cultusweihe belegt und geheiligt, wird, ist er der betreffenden
Gottheit, als ausschliessliches Eigenthum anheimgefallen, erst jetzt zur Cultusvereh-
rung möglich gemacht: wohl kann er durch Exauguration seinem Gebrauche in der
Verehrung enthoben werden, die heilige Eigenschaft bleibt jedoch fort-
während auf ihm haften, er kann niemals profaner Verwendung anheimfallen
auch wenn er ausser solchen religiösen Gebrauch gesetzt wird. Der Parthenon
konnte die Cultusweihe nicht haben, daher besitzt er weder Altar noch heiligen
Speiseopfertisch, welche die Wahrzeichen eines Cultustempels bilden; alle seine
Räume dienten ausschliesslich profanen und politisch geschäftlichen Zwekken, sie
nahmen das bewegliche Schatz- und Geldvermögen des Staates auf, weltliche Beamte,
alle Jahre neu gewählt, schalteten und walteten ausschliesslich in denselben. An
den epigraphischen Urkunden über dieses Verhältniss, wird kein poetisches Kunst, -
philosophumenon von heut zu Tage drehen und deuteln können. Hätte man auf
das Bild der Parthenos den gottesdienstlichen Vorbehalt, gelegt, und dasselbe mit, der
Cultusweihe unantastbar gemacht, dann wäre es dem Perikles nimmer möglich ge-
wesen dem Volke gegenüber den Goldbestand des Bildes ganz gleich dem der übri-
gen Geräthe aus edlen Metallen im Parthenon, in klingende Münze verwandelt und
zu Kriegsgeldern bestimmt in Aussicht zu nehmen. Bezüglich der Polias hat Brunn
nicht geahnet dass der Gottesdienst alle Zeiten hindurch bis zum Verfall des Helle-
nismus, ganz ausschliesslich nur auf dem Tempel und Bilde derselben haften geblie-
ben ist, der Versuch einer politisch socialen Reform dieses Cultus in des Perikles
Zeit würde sonst unterblieben sein; niemals ist diesem Xoanon und seinem Heilig-
thume die alleinige Gültigkeit durch Exauguration geschmälert oder gar entzogen
worden, es sei denn man habe kunstgeschichtliche Zeugnisse hiervon in petto welche
mir unbekannt, geblieben sind, die man aber dann hätte geben sollen.
Ueber die Auslegung des Zophorus kann ich mich kurz fassen.
Eine Götterversammlung in dem Relief wird auch von Brunn festgehalten, aber
die einmal herkömmliche Umtauschung der Namen einzelner Gottheiten auch hier
nicht aufgegeben: dabei scheinen mehrere Gestalten seit einigen Jahren ihre Plätze
gewechselt zu haben, da sie jetzt auf ganz anderen Sitzen als auf denen gefunden
werden wo sie Michaelis bestimmt noch sah. Die Erklärung mehrerer von diesen ist
schon (S. 5 flg.) beim Ostgiebel angetreten: ganz neu jedoch erscheint die Einfüh-
rung der AmpMtrite in den uranischen Götterkreis, obwohl dieselbe (S. 11) nicht
unmittelbar neben dem Gatten (Poseidon), aber doch in seiner Nähe neben Aphrodite
sitzt, so dass letztere ihren Arm vertraulich auf ihren Knieen ruhen lässt. Dieselbe
Gestalt benannte Brunn früher (a. a. O. Bullet. 1860, p. 69) als Persephone, die
Aphrodite als Demeter, den Knaben als Jakchos. Dagegen wird die Erscheinung
des Peplos im Bildwerke aus dem Grunde absolut zurückgewiesen, weil ja Phidias
(S. 45—47) die bildlichen Vorstellungen welche dieses Gewebe zierten — das Brunn
(S. 42) noch von den Arrhephoren wirken lässt — auf die Wohnung der Göttin,
den schmukkreichen Saum ihres Tempels, d. h. auf den Fries der Metopen übertragen
hat. Wenn aber statt des Schatzmeisters der Archon Basileus gesetzt wird, welchem
der Knabe seinen Peplos zum Umwerfen darreicht, so ist die Möglichkeit hiervon
schon beseitigt: gleiches gilt von der Basilinna welche die Polsterstühle für sich und
ihren Gatten heraustragen lässt. Das hängt nun eng zusammen mit der Abweisung
einer Pompe im Zophorus: bloss die Vorbereitimg (S. 45), wie (S. 43) die Zurüstung
von Opferthieren und Geräthen zu einer solchen gebe das Bildwerk , überall schikke
man sich erst zum Aufbruche an. Diese letztere Bestimmung ist nicht verständlich.

9*
 
Annotationen