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Bötticher, Carl
Die Tektonik der Hellenen (Band 2): Der Tempel in seiner räumlichen Anordnung und Ausstattung — Berlin, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.4581#0008
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Fabrikanten und Handwerker: ein stärkerer Gegensaz zwischen diesem und den in
der Tektonik entwikkelten Gesezen lässt sich kaum denken, denn in jenem Texte
findet sich nicht eine einzige Andeutung von der Thatsache, dass keine der Hel-
lenischen Kunstformen irgend eine materielle, constrnctive oder statische Leistung
erledige, vielmehr alle nur diese Leistung eines jeden einzelnen baulichen Gliedes
wie dessen Junctur mit den angeschlossenen Gliedern in Weise analoger Vergleichs-
bilder darstellen. Wenn die Erwähnung dieses Verhältnisses der kunstgeschicht-
lichen Wahrheit wegen nicht umgangen werden durfte, so geschieht sie doch ohne
die mindeste Verlezung der hohen Ehrfurcht vor den Manen dieses einzigen Künst-
lers, dem gemeinsam mit dem grossen Forscher und Lehrer der Hellenischen Alter-
thumskunde Otfried Möller die Tektonik zugeeignet wurde.

Aus jener schriftlichen Auslassung Schinkels dessen Ansicht über die antiken
Formen erkennend, ist es bei einer jeden, wenn auch höchst seltenen persönlichen
Begegnung mit ihm meinerseits geflissentlich vermieden worden dieses Thema zu
berühren, über das er selbst auch niemals eine mündliche Äusserung machte. Von
meinen archäologisch-tektonischen Studien hatte er keine Ahnung, noch weniger
von den Ergebnissen, zu welchen sie nach und nach führten. Wer überhaupt hätte
davon wissen sollen! Stand ich doch ganz allein, ohne ein Echo zu finden, mit
Anschauungen da, welche schnurstraks allem entgegenliefen, was man über Hel-
lenische Architektur dachte und berufene Docenten auf allen Hochschulen des Bau-
faches ohne Ausnahme damals in herkömmlicher Weise lehrten. In den Büchern
der Archäologen war die Hellenische Architektur noch ein leeres Blatt, nicht einmal
der ursprünglichen Terminologie ihrer wesentlichen Theile war man mächtig gewor-
den: ja die Äusserung dass eine Archäologie dieser Bauweise auf Grund unserer
Kenntniss der überkommenen Monumente und Schriftquellen eben so gut möglich
wie unerlässlich sei, klang im Munde eines Architekten als kühne Behauptung,
welche die Vertreter der exacten Wissenschaft mit zweifelhaftem Schweigen auf-
nahmen. Denn an welche Doctrinen alle Katheder sich damals noch anlehnten, be-
weisen zur Genüge die Schriftwerke aus jener Periode, unter welchen selbst das
vorleuchtende und epochemachende Handbuch der Archäologie der alten Kunst keine
Ausnahme zulässt, ungeachtet dasselbe, abgesehen von dieser einen Disciplin so
gross in seinem alles überragenden kunstarehäologisehen Werthe und geistig aus-
geklärten Inhalte, schwerlich jemals übertreffen werden wird.

Bei einem solchen Verhältnisse zu Schinkel wie dies eben berührt ist, konnte
mir selbstverständlich eine persönliche Anregung oder gar Beauftragung zur Bear-
beitung des Stoffes von ihm nicht werden. Der Grund meines beharrlichen Schwei-
gens darüber lag in dem Zweifel, ob er mich würde für berufen gehalten haben
ein Problem zu lösen, das ihm selbst so dunkel vorlag. Endlich drängte die voll-
endet abgeschlossene Arbeit zur Mittheilung ihrer Ergebnisse an den scharfblikken-
den Mann, der mir als höchste der lebenden Autoritäten auf dem Gebiete der
Architektur galt. Bei dem lebhaften Wunsche alle möglicherweise eintretenden Mei-
nungsdifferenzen zu umgehen, deren mündliche Entgegnung vor ihm nicht schikklich
würde gewesen sein, schien eine typographische Form der Mittheilung am zwekk-
mässigsten. Diese erlaubte es, den Inhalt der ganzen Arbeit in dem leitenden Ge-
danken möglichst kurz wiedergebend, bezüglich der einzelnen Thesen auf deren
Ausführung im laufenden Texte des nachfolgenden Werkes selbst, verweisen zu
können.
 
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