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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0432
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3Ü2

ohne alle Unterlage verengt sich ohen in einen Hals, auf welchem
ein mehr oder minder regelmiifsiger und wohlgebildeter Mcnscheii-
kopf sitzt. Auf dem Scheitel des Kopfes erhebt sieh gewöhnlich
der Kelch einer Lotosblume oder einer anderen bedeutenden Nil-
pflanze. So häfslirh und widersinnig auch an und für sich diese
Zusammenschinelziiug eines männlichen oder noch häufiger weib-
lichen Kopfes mit einem dicken Kürbisruinpfe ohne Hände und
Füfse sein mnfs, so meisterhaft hat doch auch hier die Alles ver-
schönernde und in liebliche Formen verschmelzende griechische
Kunst diese Ungeslaltlieit zu verdecken und in die regelloseste
Mifsgehurt Anmnlh und Schönheit zu bringen gewnfsf. Unter den
alten Pasten, die der Baron von St o seh in seiner Geinmcnsaniiu-
liiiig bewahrte, wovon wir neulich einige eben so (reifliche Ab-
bildungen als gelehrte und geschmackvolle Erläuterungen erhalten
haben, befindet sich eine solche Canobuspasle, wo diese widersin-
nige Figur in so angenehme Rundungen und Umrisse abgeglättet
ist, dafs das Auge auf ihr mit eben so grofsem Wohlgefallen verweilt
als auf einer gefälligen campanischen Yase oder irgend einem anderen
im schönsten Ebenmafse gearbeiteten griechischen Kunstwerke *).
Hier hat also dieser vergötterte Hausrath der Nilanwohner sogar
ei» griechisches Kunstideal erzeugt.

Aber die frühere Entstehung und Veredlung dieses für die
Nothdurft, Gesundheit und Reinlichkeit der Aegyplier so gut be-
rechneten Werkzeuges verdient schon noch eine genauere Erläu-
terung.

Der Nil, dieser allbefeuchtende, göttliche Strom, ist in einem
Lande, wo oft viele Monate, ja ganze Jahre lang kein Regentro-
pfen fällt, der einzige Wasserschatz seiner durstigen, von der em-
pfindlichsten Sonnenhitze ausgetrockneten Anwohner. Ein giofser
Theil der ältesten, ägyptischen Mythologie und Hieroglyphik dreht
sich daher blos um ihn, als eine der sichtbarsten und vvohlthiilig-
sten aller Nalionalgotthcilen. Aeltere und neuere Schriftsteller sind
unerschöpflich in den Lobpreisungen des Wassers, womit der Nil
das Land und seine Einwohner tränkt. Man schrieb ihm allge-
mein eine befruchtende und selbst auf die fast unglaubliche Be-
völkerung des Landes mächtig einwirkende Kraft zu, ein Um-
stand , den vormals die Erklärer der biblischen Geschichte bei der
wunderbaren Vermehrung der Kinder Israel in Aegypteu wohlbe-
dächlig in Anschlag zu bringen nicht vergafsen. Nichts ging,
nach der Aussage der Alten, über die Süßigkeit und den lieb-
lichen Geschmack des Nilwassers. Als der König Ptolemäus
von Aegypten mit dem Beinamen Philadelphus seine Tochter

*) S. Abbildungen ägyptischer Gottheiten, mit Erläuterungen von
Schlichtegroll, Sste tiefer! üib. XII. XIII.
 
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