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Boisserée, Sulpiz
Denkmale der Baukunst vom 7. bis zum 13. Jahrhundert am Nieder-Rhein — München, 1833

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https://doi.org/10.11588/diglit.1178#0012
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von einfachen Säulen, wie sie in den beiden Rundungen des Kreuzes vorkommen, gesetzt worden seyn.
Ebenso fordert das Aeusscrc der ouera Chorrundimg zum Nachdenken auf; dieselbe ist mit einem kleinen
Säulengang umgeben, welcher an den Rundungen des Kreuzes fehlt; zudem ist sie gerade um so viel hoher,
als dieser kleine Säulengang beträgt. Man könnte hieraus folgern, dass der ganze obere Theil der Chorrandung
im lllc" oder 12l0n Jahr)Hindert erneuert worden scy; wofür auch die Strebebogen anzuführen wären,
deren man sonst an den alteren Gebäuden vor der Mitte des 12len Jahrhunderts keine sieht'; dass sich
dergleichen ebenfalls am Kreuze finden, Jiesse sich als ein zu gleicher Zeit liier zu grösserer Sicherheit
angebrachter Zusatz erklären. Es sind dieses jedoch Vcrimitlmngen, denen man andere ebenso gut oder
noch besser begründete entgegensetzen kann; denn erstens ist an dem Mauerwerk keine Verschiedenheit
des Materials und der Ausführung zu bemerken; zweitens mag die reichere Ausstattung der Chorrundung
gerade beliebt worden seyn, um den Chor auszuzeichnen, da ja auch schon am untern äussern Theil dieser
Rundnng, welcher unbezweifclt ursprünglich ist, eine ähnliche Abweichung vom Kreuz vorkömmt; endlich
dürften die Strebebogen bei diesem Gebäude schon anfänglich angebracht worden seyn, weil von allen später
bis zur Mitte des I2lon Jahrhunderts aufgeführten Gebäuden keines, soviel wir wissen, Gewölbe von so
grosser Spannung bat, deren Untermauern blos auf Säulen ruhen. Am meisten Wahrscheinlichkeit möchte
also die Meinung behalten, dass nur jene gekuppelten Säulen im Innern der obern Chommdung spater
wären eingefügt worden. Und so hätten wir denn an der Marienkirche das älteste Beispiel von Strebebogen
und zugleich von dem kleinen Säulengang unter dem Dachgesims, welcher in den folgenden Zeiten eine
eigen (hümliche Zierde aller bedeutenden Kircliengebäude ausmacht. An der Kuppel der Taufkapelle in Bonn
kömmt schon die Anlage zu einem ähnlichen Säulengang vor, und an der Kuppel der Kirche S. Michele
in Paria, welche während der Herrschaft der Longobarden, also zwischen den Jahren 5GS und 77-1 erbaut
seyn soll, erscheint dieser kleine Säulengang bereits in seiner vollkommenen Entwickeluug.'> Von dieser
letztem Kirche hat man jedoch keine genaue geschichtliche Nachrichten und ihrer ganzen Bauarl nach scheint
sie eher dem I0lcn, als einem frühern Jahrhundert anzugehören,*1

Auch rücksichüich des Thurms oder der Tluirme, (denn der Thurm ist von zwei kleinen Thünncn
begleitet, worin sicli die Treppen befinden), bietet die Marienkirche eins der ältesten Beispiele dar. Wenigstens
ist bis jelzt keine Kirche von derselben oder einer frühem Zeit bekannt, an welcher der Thurm mit dem
Gebäude seihst verbunden wäre. Bei der Kirche St. ApoIIinare in Classe zu Ravenna, welche zu Anfang
des ötcl1 Jahrhunderts erbaut worden, steht der runde Thurm, wie bei allen älteren Kuchen in Italien, ganz
abgesondert an der Seite. Dieser Thurm mag der Bauart nach wohl mit der Kirche gleichzeitig seyn, früher
ist aber wohl kaum ein Kirchcntluirm gebaut worden, denn die Glocken kamen erst im 5tcn Jahrhundert in
Gebrauch, und waren Anfangs ohne Zweifel nur von kleinem Umfang, so dass man sie unter dem Giebel
oder über dem Dach an einem hölzernen Gestell aufhing. Der gegenwärtige Thurm an der Marienkirche
ist seit dem Jahr 1G37 erbaut, wo der alle einstürzte;31 die beiden oberhalb achteckigen Nebenthürme sind
noch zum Theil erhalten. In der sehr seltenen Abbildung der Stadt Köln, welche Anton von Worms 1531
in Holz geschnitten, und deren Kcnntniss ich der Güte des Herrn Geh. Baths Sotzmaim in Berlin verdanke/3
sieht man alle drei Thiirmc noch in ihrer alten Gestalt. Auf der vergleichenden Tafel der ältesten
Kircliengebäude zu meinem Werk über den Dom von Köln pl. 17 habe ich die Thiirmc nach jenem
Holzschnitt abbilden lassen.

d'Aijiiiciurl, n. n. o. pl. 2J.

f. Rmnahr, IiaL Forschungon U. III. S. 175, glnubi, dass sie im II'« oder 12'™ Jahrhundert erneuert worden soj.

1 Gclenius, a. a. o. p, 3'iü.

> Sotzmaim, lieber dos Anco» von Worms Abbildung der Siadi Köln, 1S19 S°, siebt ausführlich» Nachricht über die
lLulzselitiiiicn zujniiiiiH-ngcJiL-izi« Ausit-ln der Stndt.
 
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