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Boisserée, Sulpiz
Sulpiz Boisserée (Band 1) — Stuttgart, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.1408#0017
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emer Erklärung. Fräulein Cornille war in ihrem sechzehnten
Jahr im Sommer bei einer befreundeten Familie zum Besuch auf
dem Lande gewesen. An einem sehr heißen Tag wollte sie sich
von einer großen Erhitzung durch ein kaltes Bad abkühlen. Kaum
aber konnte sie wieder heraus kommen und sich mit Mühe nach
dem nahe gelegenen Hause schleppen, denn sie war am ganzen
Körper erstarrt. Die besonnene Haushälterin, die sie zuerst sah,
erschrack, als sie das ganz veränderte, todtenbleiche, sonst so frische
und sehr schöne Mädchen sah; ließ gleich anspannen und sie nach
Hause fahren. Als sie bei ihrer Mutter ankam, wurde sie schnell
zu Bette gebracht und der sehr erfahrene Hausarzt vr. Best ge-
rufen. Dieser erklärte gleich, nur wenn es mvglich sey, bald eine
heftige Transpiration hervor zu bringen, sey das junge Leben ge-
rettet. Es würden nun alle Mittel angewendet, aber immer ver-
gebens. Die schwer Kranke kannte ihren Zustand und war auf
das Schlimmste gefaßt. Da trat nach einer qualvollen Nacht die
Mutter mit der Frage und Bitte zu der geliebten Tochter: ob sie
nicht dem jungen Boisseree noch ein Lebewohl sagen möchte, er
gehe in Verzweiflung vor dem Hause auf und nieder? Er war
vorher nie in das Haus gekommen. Einen Augenblick nur besann
sich die Kranke, dann sagte sie gefaßt: ja er soll kommen. Die
besorgte Mutter ging nun selbst, um den unglücklichen jungen
Mann herauf zu holen und vorzubereiten. Als sie ihn in das
Krankenzimmer führte, brach er in einen Strom von Thränen
aus und ergriff die Hand der jungen Geliebten, wie er fürchtete
zum Abschied. Was kein anderes Mittel hervorbrachte, das be-
wirkte das Wiedersehen und die fest gefaßte Hand, eine sehr heftige
Transpiration brach hervor und das theure Leben war gerettet!
Als der Arzt die ftohe Botschaft erhielt, rief er aus: das kann
nur durch ein Wunder geschehen seyn! Bernhard war durch die
politischen Ereignisse in seinem Studium unterbrochen worden, da
entschloß er sich zum Kaufmannstand überzugehen, wodurch er dann
auch schneller zu dem längst ersehnten Ziele kam.

Die Winterabende durfte ich gewöhnlich in dem Reimarus'schen
Hause zubringen. An dem Theetisch deffelben versammelte sich
immer ein Kreis von ausgezeichneten Männern und Frauen. Durch
ihre geistreichen Gespräche gewann ich eine ganz neue Anschauung
des Lebens, die von dem entschiedensten Einfluß auf meine Zukunft
 
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