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Boisserée, Sulpiz
Sulpiz Boisserée (Band 1) — Stuttgart, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.1408#0019
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Bildnisse berühmter Münner auf. Man schaffte ein Reitpferd an,
welches ich zur Erhaltung meiner Gesundheit benützen durfte, und
ich sorgte durch fortgesetzten Verkehr mit dem mir so lieb gewor-
denen Buchhändler Perthes für ausgesuchte Lektüre. Aber nichts
konnte mir in dem beschränkten Verhältniß einer längst terödeten,
nun gar zu einer französischen Provinzialgrenzstätte herabgesun-
kenen alten Reichsstadt das großartige Handelsleben des bedeu-
tendsten deutschen Seehasens ersetzen, nichts konnte mich in dem
Einerlei eines sonst gemüthlichen Familienkreises sür die geistig
anregende, vielfach belehrende Geselligkeit entschädigen, an die ich
in dem Hause des Doktor Reimarus und seiner gegen mich so
überaus gütigen Frau gewöhnt war. Ein heftiger Ausbruch
meines Flechtenausschlages im Gesicht vermehrte im Winter noch
das Drückende meiner Lage; indessen wie die Jugend immer neue
Hoffnungen Zu fassen bereit ist, so schwürmte ich in meinen Ge-
danken schon wieder in die Ferne, und ein Aufenthalt in England
und große Seereisen lagen im Hintergrund meiner Wünsche,
ohne daß ich eine Aussicht zur Ausführung gehabt hätte. Jn
dieser halb unzufriedenen, halb erwartungsvollen Stimmung be-
gegnete ich zu Anfang des Sommers bei meinem Buchbinder
einem jungen Manne mit krausem Haar und lebhaften Augen,
der durch sein Benehmen, noch mehr aber durch seine geistreichen,

- oft kühnen Aeußerungen über Literatur einen sehr tiefen Eindruck
' auf mich machte. Es war die Zeit, wo die kürzlich von der
Sstermejse angelangten Neuigkeiten in der Literatur beim Buch-
binder zum Lesen handbar gemacht wurden. Das Gespräch führtc
'gleich auf die Brüder Schlxgel, besonders auf Friedrich; die un-
bedingte Begeisterung, welche der junge Mann für diese beiden
genialen, aber etwas gar zu stürmisch aufgetretenen Männer aus-
sprach, wollte mir nicht einleuchten; kam ich doch aus der Ham-
burger Schule, wo noch die Achtung für den deutschen Parnaß
bestand, und man fast Schiller und Goethe zu frei fand, wo man
an den groben Witzen des Athenäums gegen Wieland, Voß,
Mathisson, W. v. Humboldt und andere großen Anstoß nahm.
Wir geriethen bald in einen lebhaften Streit, den wir noch auf
dem Heimweg fortsetzten, der aber beiderseits sich in den Wunsch
auflöste, näher mit einander bekannt zu werden; nun erfuhr ich,
daß er Bertram hieß, rmd sein elterliches Haus ganz nahe bei
 
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