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Am Pfingstfest hörte ich eine Mesfe von Hasse, die ich'nicht
recht verstand. Freude und Erhebung machte sie mir nicht, ob
es an der Ausführung fehlte oder ob es alles Geschnörkel !var,
weiß ich nicht. Der Mangel an Sängern ünd Chor war aber
leider auch in dieser berühmten Kapelle nun fühlbar. Am zweiten
Pfingsttag war eine schöne opernartige Arie zum Offertorio von
Morlachi und ein feierliches, einfaches Agnus im alten Styl von
demselben.
Der alte Riedel, den ich alle Tage auf der Gallerie sah,
wurde allmählich ganz vertraulich, ließ sich mit mir über seine
geheime Art die Bilder zu reinigen und nicht zu firnißen ein,
und zeigte mir im Nestaurationszimmer eine sehr ähnliche, aber
geringere Maria von Francia, als die unserige.
Dresden, 9. Jmii I8t1.
Mit meiner Gesundheit geht es besser, obwohl ich mich nicht
so heiiern Sinnes fühle wie ich möchte. Aber es ist allgemein
Noth, alle Menschen leiden von der trockenen Luft und klagen
über Mattigkeit. Da darf sich wohl unser einer, der alle Morgen
und alle Nachmittage Stunden lang vor den Kunstwerken herum
wandelt, nicht darüber wundern.
Ach, lieber Melchior, warum bist Du nicht bei mir? Warum
können wir denn nicht Alles, was uns gemeinsame Freude macht,
nicht auch gemeinsam genießen? Wenn ich vor dem Raphael oder
vor den Correggios stehe, möchte ich zaubern und Dir die Er-
scheinungen davon vorspiegeln können, so daß Du mir davon
schreiben müßtest und wir als über eine bekannte Sache darüber
sprechen könnten. Jch habe manchen Gedanken über den Aus-
druck und die Bedeutung dieser Bilder, den ich gern mittheilen,
und Deine und Bertrams dagegen gern hören möchte. Mit Ber-
tram gäbe es gewiß Streit, darum wäre für ihn die Zauberei
wohl besser als die Wirklichkcit.
Am Frohnleichnamstag war eine sehr schöne Messe von Nau-
mann. Während dcm Prunk der Procession, Wobci der Hof in
Reifröcken, ganz im altfranzösischen Staat mitging, die zwischen
den vielen Soldaten mehr einer Hoffeierlichkeit glich, aber nicht
Am Pfingstfest hörte ich eine Mesfe von Hasse, die ich'nicht
recht verstand. Freude und Erhebung machte sie mir nicht, ob
es an der Ausführung fehlte oder ob es alles Geschnörkel !var,
weiß ich nicht. Der Mangel an Sängern ünd Chor war aber
leider auch in dieser berühmten Kapelle nun fühlbar. Am zweiten
Pfingsttag war eine schöne opernartige Arie zum Offertorio von
Morlachi und ein feierliches, einfaches Agnus im alten Styl von
demselben.
Der alte Riedel, den ich alle Tage auf der Gallerie sah,
wurde allmählich ganz vertraulich, ließ sich mit mir über seine
geheime Art die Bilder zu reinigen und nicht zu firnißen ein,
und zeigte mir im Nestaurationszimmer eine sehr ähnliche, aber
geringere Maria von Francia, als die unserige.
Dresden, 9. Jmii I8t1.
Mit meiner Gesundheit geht es besser, obwohl ich mich nicht
so heiiern Sinnes fühle wie ich möchte. Aber es ist allgemein
Noth, alle Menschen leiden von der trockenen Luft und klagen
über Mattigkeit. Da darf sich wohl unser einer, der alle Morgen
und alle Nachmittage Stunden lang vor den Kunstwerken herum
wandelt, nicht darüber wundern.
Ach, lieber Melchior, warum bist Du nicht bei mir? Warum
können wir denn nicht Alles, was uns gemeinsame Freude macht,
nicht auch gemeinsam genießen? Wenn ich vor dem Raphael oder
vor den Correggios stehe, möchte ich zaubern und Dir die Er-
scheinungen davon vorspiegeln können, so daß Du mir davon
schreiben müßtest und wir als über eine bekannte Sache darüber
sprechen könnten. Jch habe manchen Gedanken über den Aus-
druck und die Bedeutung dieser Bilder, den ich gern mittheilen,
und Deine und Bertrams dagegen gern hören möchte. Mit Ber-
tram gäbe es gewiß Streit, darum wäre für ihn die Zauberei
wohl besser als die Wirklichkcit.
Am Frohnleichnamstag war eine sehr schöne Messe von Nau-
mann. Während dcm Prunk der Procession, Wobci der Hof in
Reifröcken, ganz im altfranzösischen Staat mitging, die zwischen
den vielen Soldaten mehr einer Hoffeierlichkeit glich, aber nicht