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Boisserée, Sulpiz
Sulpiz Boisserée (Band 1) — Stuttgart, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.1408#0791
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788

Mathilde fühlt sich so wohl in der hiesigen milden Lust und bei
dem Gebrauch der Bäder, daß sie nun selber hosft, wieder ganz
gesund zu werden; mir geht es ebenfalls nach Wunsch.

Was aber die Umgebung betrifft, in der wir leben, so er-
innert die Lage des Hauses und des Gartens auf dem mit Strauch-
werk bewachsenen Bergrücken, dicht am Ufer des Neckars, immer
mehr an den Apollinarisberg: die Aussicht auf den an zahlreichen
Orten sich vorbeiwindenden Neckar entbehrt freilich eines ähnlichen
Gebirgs wie das Siebengebirg, und der Neckar wiederholt das
Bild des Rheins allerdings nur im Kleinen, übrigens aber ist
die Landschaft wohl noch schvner und reicher. Man sieht außer
dem bedeutenden alterthümlichen Städtchen hier oben, unten das
kleine Wimpfen im Thal mit einer zierlichen altdeutschen Stifts-
kirche und den Salinengebäuden, dann auf der andern Seite
Jaxtfeld mit der Saline Friedrichshall, Neckarsulm und den Wart-
berg gegen Heilbronn zu; Neckar abwärts die Saline Offenau,
das Bergschloß Ehrenburg mit dem dazu gehörigen Dorf Gun-
delsheim mit der Commenthurei Horneck, Hornberg, wo Götz von
Berlichingen in seinen letzten Jahren gehaust und gestorben und
mehrere andere Orte. Den meisten Verkehr haben wir mit Graf
Rantzau, seiner Frau und fünf allerliebsten, noch kleinen Kindern,
und der Frau Dekan Reuchlin aus Reutlingen. Daß es Dich
gefreut, den alten General Knesebeck wiederzusehen, begreife ich;
ist uns doch alles lieb, was uns an jene große bewegungsvolle
Zeit erinnert und nun doppelt, da der König, den wir damals
als Jüngling kennen lernten, jetzt seinen Regierungsantritt mit
so vielen weisen und wohlwollenden Handlungen bezeichnet. Was
sagen denn nun die unberufenen Zionswächter, sie meinen wohl
gar, die Katholiken hätten die klugen und niilden Maßregeln des
Königs ihrem Geschrei zu verdanken?

Kannstadt, 26. September 1840.

Lieber Melchior, die Woche ist wieder so schnell verflossen,
daß es mir vorkömmt, als hätte ich Dir vorgestern geschrieben.
Jn Stuttgart haben wir nun fast alle Verwandte und näheren
Freunde wiedergesehen. Georg Jäger mit seiner Frau ist ab-
wesend; die Kinder sind zum Theil schon verheirathet und der
 
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