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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0170
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146

II. Teil. Die Sternbilder in den neuen Texten.

in abstracto wird sie niemals kommen. cDas Tier' ist also ein (viel-
leicht nicht ohne Einnufs einer orientalischen Sphäre gemachter)
Vorschlag des Eudoxos zur Benennung einer Sterngruppe, die sich
weder dem Kentauren noch dem Altar eingliedern liefs. Ich denke
mir also diese beiden Sternbilder vor dem Therion benannt: aber
mindestens den Kentauren nicht viel vorher, vielleicht auch erst
von Eudoxos. Denn dieses Bild ist wohl unzweifelhaft eine von
jenen Spiegelungen eines andern Sternbildes, von denen ich oben1)
einmal gesprochen habe. Dafs nämlich der Kentaur des Tierkreises
der frühere war, scheint schon a priori natürlich bei der gröfseren
Wichtigkeit der Zodiakalbilder gegenüber den anderen und nament-
lich den meisten südlichen Bildern; es läfst sich aber auch beweisen,
da die Gestalt des Kentauren im Tierkreis gleich dem unmittelbar
benachbarten Skorpion einen der ganz festen Beweise für die Ent-
lehnung babylonischer Sternbilder liefert.2)

Die Gattung des Tieres also hatte Eudoxos unbestimmt gelassen;
man suchte es zunächst, vielleicht nach Andeutungen von ihm selbst,
in Beziehung zum Kentauren zu bringen, als Jagdbeute, oder zum
Kentauren und Altar zugleich, als Opfer. Die Zeichner mufsten
sich für irgend eine bestimmte Gestalt entscheiden. So scheinen es
manche Globen3) als Panther dargestellt zu haben, unter welchem
Namen noch Martianus Capeila (VIII 838) das Bild kennt; andere,
wie die oben genannten Hss bezeugen, als Hund. Bei Andern ver-
schwand das Tier ganz, um einem vielleicht durch den Thyrsos her-
vorgerufenen Weinschlauch Platz zu machen. Ein Versuch näherer

schon eine bestimmtere Vorstellung bei diesem Namen (auch die Ägypter haben
im zweiten Jahrtausend v. Chr. ein Sternbild kurzweg Vogel genannt, vgl.
Brugsch, Thesaurus p. 189). Aber das einzige Charakteristikum im Namen Gnpiov,
die Vierfüfsigkeit, ist zu einer deutlichen Vorstellung gar zu wenig: und oben-
drein kann niemand die vier Füfse dieses Tieres am Himmel mit Sternen be-
zeichnen.

1) S. S. 116 Anm. 1. Bei der Benennung Altar oder öuutaTnpiov kann
immerhin eine gewisse Ähnlichkeit der Sterngruppierung die Willkür des ge-
lehrten Namengebers gelenkt haben.

2) Vgl. darüber den 5. Abschnitt des X. Kapitels.

3) Vgl. den farnesischen Globus, wo die Zeichnung wie die Photographie
allerdings nicht zur Entscheidung genügen; ferner das Bild des Bononiensis
Thiele S. 128 und unsere Tafel I. — Ein anderes Tier zeigt in den Händen des
Kentauren ein dreieckiger Altar auf der letzten Tafel von Viscontis Monumenti
Gabini (Reinach, Re'pert. I p. 89): Visconti hält es für ein Hirschkalb (cerviatto ,
vgl. p. 168 des Textes. Dieses Relief ist übrigens wieder ein Beispiel für die
Verwechslung von Schütze und Kentaur, wie schon Visconti richtig gesehen hat;
der Künstler wollte den Schützen als das Haus des Planeten Jupiter darstellen,
gab ihm aber das Attribut des anderen Kentauren.
 
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