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Boll, Franz
Sphaera: neue griechische Texte und Untersuchungen zur Geschichte der Sternbilder — Leipzig, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.19748#0495
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XV. Mittelalterliche Astronomie und neuere Forschung

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Wir haben den griechischen Teukrostext aus zweiter Hand, nur
durch Kketorios: umso willkommener müfste eine Parallelüberlieferung
sein, wie sie uns bei Abu Ma'sar vorliegt, dem der Exzerptor Rketo-
rios fremd war. Aber wenn hier schon durch den Umweg über das
Persische Vorsicht geboten ist, so giebt die Prüfung des Abu Macsar
im Einzelnen doppelten Grund, diese Textquelle mit grofser Zurück-
haltung zu gebrauchen. Den Grundsatz habe ich schon oben mehrfach
ausgesprochen (Kap. XI); hier einige Belege von den willkürlichen Zu-
thaten bei Abu Macsar. Wenn der Hundsköpfige in TR zwei Lampen
trägt, während er bei Abu Macsar in der einen Hand eine Lampe, in
der andern einen Schlüssel hält, so könnte es scheinen, dafs zwei
gleichwertige Aussagen einander gegenüberstehen. Aber das Bestreben
zu farbigerer Ausschmückung ist bei Abü Ma'sar nur zu oft augen-
fällig. Auf den Schultern des Orion sitzen nach Abü Macsar zwei
Lampen — es sind natürlich die beiden hellen Sterne, die die zwei
Schultern des Orion bezeichnen —: sie sprechen mit ihm und rufen
ihn mit seinem Namen. Die rrapBevoc-Isis wird ausführlich beschrieben:
eine schöne reine Jungfrau mit langem Haar, auf einem Thron mit
Polstern; der Knabe heilst hier (wie dann bei Ibn Wahsijja) nicht n*l<t.
Horos, sondern Jesus. Statt der einfachen Erwähnung des kuluv schwatzt
der Araber von „einer läufigen Hündin, die ihr Halsband nach sich
zieht"; bei Drachen und Schlangen wird nicht versäumt anzugeben,
dafs sie schrecklich anzusehen sind; der Schakal, der einmal (bei den
Zwillingen) vorkommt, hat an seinem Vorderfufs ein Zeichen. Die
öte ist nach Abü Macsar „aus dem Geweih der Gazellen". Am
rksten arbeitet die orientalische Phantasie bei der Wage: die dyopd
des Tenkros wird belebt mit Gewürzkrämern und Weizenverkäufern;
dazu seidene Tücher und ein Lederranzen und ein Apothekersack und
der rote Kasten eines Kaufmanns. All diese Ausschmückungen, von
denen hier nur wenige angeführt wurden, tragen denselben Charakter;
wer sie gemacht hat, mag wenig mehr daran gedacht haben, dafs es
sich um Paranatellonta oder Sternbilder handelt. Man möchte lieber
den unbekannten persischen Bearbeiter als den arabischen Astro-
nomen Abü Macsar dafür verantwortlich machen, den ja doch ein
starkes sachliches Interesse zu diesen Dingen leitete. Auch dafs Ibn
Wahsijjas Art, diese Dinge weiterzudichten, mit der hier bemerkten sehr
verwandt ist und in einzelnen Punkten unmittelbar übereinstimmt, würde
zu dieser Lösung der Frage auffordern, wenn nicht Ibn Wahsijja etwas
später als Abü Macsar gelebt hätte, also in der Lage gewesen wäre,
ihn selbst zur Grundlage seiner kecken Erfindungen zu machen.

Boll, Sphaera barbarica. 27
 
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