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Borchardt, Ludwig
Die aegyptische Pflanzensäule: ein Kapitel zur Geschichte des Pflanzenornaments — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.43137#0038
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Die charakteristische Umrisslinie der Dolde ist für das junge, noch ganz
oder fast geschlossene Exemplar leicht zu bestimmen; es erinnert etwas an die
Linie der Knospe von Nymphaea caerulea, nur dass die Spitze nicht scharf ist wie
bei dieser, sondern etwas abgestumpft; eine nur ganz wenig geöffnete Knospe von
Nymphaea caerulea würde dieselbe Umrisslinie haben, wie der geschlossene Papyrus.
Schwieriger ist es zu sagen, welche Linien für die geöffnete Dolde bezeichnend sind,
da ihre Strahlen sich scheinbar regellos nach allen Seiten ausbreiten. Bei nicht zu
weit geöffneten Büscheln sieht man jedoch, dass die Enden der Strahlen mit den
Blüthen ungefähr eine oben etwas abgeplattete Kugelfläche bezeichnen, die sich in
der Seitenansicht etwa als wenig gedrückter Bogen darstellen würde. Die einzelnen
Strahlen zeigen eine je nach ihrer Stellung in der Dolde verschiedene Linie; während
die mittelsten mehr oder weniger gerade sind, zeigen die seitlichen geschwungene
Curven, die untersten sind ganz schwach wellenförmig gebogen. Die ganze Dolde
hätte demnach ungefähr diesen Contour:
Dem nicht unähnlich sind auch die von den ägyptischen Künstlern darge-
stellten Papyrusdolden, die eines der beliebtesten Motive der ägyp-
tischen Kunst aller Epochen bilden. Eines der ältesten Beispiele ist
das hier abgebildete (Abb. 43), einen Papyrus darstellende Hiero-
glyphenzeichen wBd (s. a. L. D. II, 3). Der Papyrus ist natürlich stili-
sirt wiedergegeben, aber unverkennbar. Der Blattkranz am unteren
Ende — den wir der Kürze halber im Folgenden als „Fussblätter “
bezeichnen wollen — ist zwar vorhanden, aber etwas deformirt; die
Blätter sind sämmtlich, wie auch bei anderen Darstellungen derselben
Pflanze, zu kurz gerathen. Dass die Blätter sich theilweise über-
decken, ist richtig beobachtet. Der Stengel verjüngt sich nach
oben, hat jedoch am unteren Ende eine geringe Schwellung, die
bei der natürlichen Pflanze nur vorhanden ist, wenn die Fuss-
blätter anliegen. Für die Darstellung des Papyrus und für seine
Verwendung als Säulenmotiv ist diese Schwellung bezeichnend und überträgt sich
von den Papyrussäulen, wie wir gesehen haben, auch auf andere Pflanzensäulen, von
denen eigentlich sonst keine von Hause aus die Schwellung zeigen sollte. Bei den
Hüllblättern der Dolde — den „Kopfblättern“ — tritt dasselbe ein, wie bei den
Fussblättern: sie werden meist — mit wenigen Ausnahmen1) — zu kurz und nicht
so spitzig, wie sie eigentlich sein sollten, gezeichnet.
Die Darstellung der Dolde selbst musste den Alten natürlich viele Schwierig-
keiten machen; auf die Möglichkeit, sie durchsichtig darzustellen, verzichten sie von
vornherein, sie geben die Umrisse ungefähr so, wie wir sie uns oben angemerkt hatten,
jedoch meist nicht so weit ausladend, sondern steiler; nur selten kommen breitere Dolden
vor. Eine Wiedergabe der einzelnen Strahlen lassen sie in den meisten Fällen gar nicht
eintreten, höchstens deuten sie dieselben durch einige Striche in dem grün ausgefüllten

') Besonders finden sich diese naturalistischen Ausnahmen in der Zeit der iS. Dynastie unter Ame-
nophis III und seinen Nachfolgern. (S. auch Abbildung 45.)

Abbildung 43.


aus dem Grabe
des Amten zu
Abusir ; a. R.;
Dynastie 4; nach
dem Orig'. im
Berl. Museum.
 
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