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Borchardt, Ludwig; Deutsche Orient-Gesellschaft [Hrsg.]
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Abusir: 1902 - 1904 (Band 1): Das Grabdenkmal des Königs Ne-User-Re' — Leipzig, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.36919#0016
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Grabdenkmal des Königs Ne-user-re.

Der Inhalt dieser Theorie, wie sie sich durch die Ausgrabungen modifiziert hat, läßt
sich etwa kurz so fassen: Die Pyramiden stehen nicht mit der sicher schon seit Menes
Zeiten existierenden unterägyptischen Hauptstadt Memphis in Verbindung, sondern sie liegen
vielmehr bei Pyramidenstädten, temporären Residenzen, die mit der Dynastie, oft sogar mit
dem Könige wechseln, sich bald nach Norden, bald nach Süden verschieben. Dieses Wandern
der Residenz verliert das Sprunghafte, Ephemere, das wohl manchen zuerst abhielt, die Er-
mansche Theorie anzunehmen, wenn man in Rücksicht zieht, daß der Zeitraum, für den wir
diese Wanderung verfolgen können, über 1000 Jahre beträgt, und daß manche dieser uns
heute als ephemer erscheinenden Pyramidenstädte mehrere Hundert Jahre geblüht und noch
weitere lange Zeiträume* nach ihrer Blüte bestanden haben.
Die Pyramidenstädte folgen nun in chronologischer Reihe so aufeinander: Die älteste
im memphitischen Gebiete lag vermutlich bei Saujet el Arjan, halbwegs zwischen den Toten-
feldern von Gise und Abusir. Die nächstälteste, mit der wir schon in das Ende der dritten
Dynastie kommen, lag nördlich von Saqqara, zu ihr gehörte die Stufenpyramide, dann" folgt
das weit entfernte Meidum, das aber von seinem Könige Snefru aufgegeben und mit Dahschur
vertauscht wird. Daran schließt sich die vierte Dynastie, deren Hauptkönige bei Gise resi-
dierten und auch dort begraben wurden. Die letzten Könige derselben Dynastie zogen weiter
nach Norden, nach Abu Roasch. Die fünfte zieht wieder nach Süden, nach Abusir, einer
ihrer letzten Könige wieder nach Dahschur, während die sechste nochmals auf die Gegend
bei Saqqara, in nächster Nähe der Reichshauptstadt, zurückkommt Dann folgt für uns vor-
läufig eine Lücke bis zur zwölften Dynastie, die wieder in Dahschur und wohl auch in Abu
Roasch, sowie weiter südlich bei Lischt und im Fayum Pyramiden und Pyramidenstädte anlegt.
Man bemerkt bei dieser Aufzählung sofort, daß die meisten der Orte wiederholt für die
zeitweilige Residenz gewählt worden sind. Die Schwierigkeit der Nachgrabungen mußte daher an
solchen Stellen noch durch die Aufgabe der Scheidung mehrerer Bebauungsperioden erhöht werden.
Nur das stark verwüstete, und wie sich jetzt herausstellt vorzeitig verlassene Feld von Saujet
el Arjan, das damals noch dem Service des antiquites reservierte Feld von Gise, die abge-
legenen und auch teilweise schon bearbeiteten Felder von Medum und Lischt und endlich
das von Abusir hatten nur eine einzige Bebauungsperiode aufzuweisen. Es war also für uns
von vornherein wahrscheinlich, daß unsere Grabungen ein durch spätere Überbauungen nicht
gestörtes Bild der Anlage eines Königsbegräbnisses der fünften Dynastie mit allem Zubehör
zutage fördern würden. Dies können wir als die wissenschaftliche Aufgabe bezeichnen, welche
die Deutsche Orient-Gesellschaft sich bei diesem Unternehmen gestellt hat. Der hier vorliegende
Band soll zeigen, ob wir diese Aufgabe gelöst haben.
Lage. Die Pyramidengruppe von AbusiD liegt nur rund 16 km in Luftlinie SSW
von Kairo. Von den allgemein bekannten Pyramiden von Gise erreicht man sie in südöstlicher
Richtung reitend zu Esel in etwa 2 Stunden. Der den Randbergen der libyschen Wüste vor-
gelagerte Hügel auf dem die Gruppe steht, erhebt sich in seinem südlichen, höheren Teil rund
25 müber der Eruchtlandgrenze, sein nördlicher Teil ist wenige Meter niedriger. Auf dem höher
1) So die Stadt des Snefru bei Dahschur noch zur Zeit des Königs Pepi, vgl. Ä.Z. Bd. 42, i$o$, S. 1 ff.
2) Die Knickpyramide von Dahschur, die zeitlich vielleicht noch zwischen die Stufenpyramide von Saqqara und die
von Medum zu setzen sein dürfte, ist, als mindestens unsicher datiert, hier übergangen.
3) Unser Ausgrabungslager südlich neben dem Zugang zum Totentempel desSaliu-re' lag 290 54' nördl. Breite (nach
eigner Bestimmung) und 31^11,5' östl. v. Greenwich (nach der Baedekers Karte).
 
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