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Borchardt, Ludwig; Deutsche Orient-Gesellschaft [Hrsg.]
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Abusir: 1902 - 1904 (Band 1): Das Grabdenkmal des Königs Ne-User-Re' — Leipzig, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.36919#0145
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Abschnitt III, C: Grab der Prinzessinnen.

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das Bruchstück einer Meinen Tischplatte aus Holz mit Ausschnitten für Gefäße (A, 140), ein
Beinbruchstück von solchem Tischchen (A, 141), Knochen vom Opfertier (A, 142—144), und
ein menschlicher (?) Knochen (A, 145).
Das nächste Fundstück (A 146, Abb. 114) war von besonderem wissenschaftlichen Wert.
Es ist ein etwa lebensgroßer Kopf aus Kalkstein, den man für einen abgebrochenen
Statuenkopf halten würde, wenn er nicht unten am Halsende glatt bearbeitet wäre. Einmal vor
diesem ist schon ein solches Stück in einer Mastaba der vierten (?) oder frühen fünften Dynastie
in DahschuD gefunden worden. Später sind noch bei den Reisnerschen und Steindorffschen
Grabungen in Gise aus Gräbern der fünften Dynastie solche Köpfe geborgen worden. Im
43. Kapitel des Totenbuches, so wie es uns in den
Redaktionen aus dem neuen Reiche vorliegU, wird ein
Spruch angegeben, nach welchem dem Verstorbenen
in der Unterwelt der Kopf nicht abgeschnitten werden
solF. Wenn also diese Rezitation nötig erachtet wurde,
so muß ein Glaube bestanden haben, daß irgendwelche
Dämonen den Toten die Köpfe abhacken. Ich stelle mir
nun vor, daß diese in den Zeiten des alten Reiches
den Toten mitgegebenen „Reserveköpfe" dazu dienen
sollten, entweder die Dämonen zu täuschen, daß sie
den falschen Kopf für den des Toten nehmen sollten,
oder dazu, dem Toten den eignen Kopf, wenn sie ihn
schon abgeschlagen hätten, zu ersetzen.
Der in unserem Grabe gefundene Reservekopf
hat leider beim Umherwerfen in der Kammer durch
die nach Kostbarkeiten suchenden Grabräuber etwas
gelitten. Sein Gesicht ist zerschunden. Stückchen davon
fanden sich einzeln im Schutt, sie werden in unserer _
Weiter lagen in demselben Haufen einige Rippen
des Opfertieres (A, 147), noch Bruchstücke eines kleinen, hölzernen Opfertisches (A, 148),
Brustbein und Knochen eines geopferten Vogels (A, 130, 131), das Kinn des Reservekopfes
(A, 132) und wieder Alabasterschälchen (A, 133, 134, wie A, 17).
Beim Ausräumen des Schachtes waren schon eine Reihe von Gegenständen gefunden
worden: ein Feuersteininstrument, das vielleicht einen Mund darstellen soll und bei der Zere-
monie des Mundöffnens gebraucht wurde, die der Vorlesepriester mit der Mumie vornahm
1) de Morgan, fouilles ä Dahchour I, S. 9, Abb. 7.
2) Naville, Totenbuch I, Taf. 58, II, S. 122.
3) Dasselbe aus dem Ende des a. R. Maspero, trois annees de fouilles S. 159 und aus dem m. R. im Sarge der
Ima'mu (nach Le Page Renouf, Proc. 93, S. 28t). In den Pyramidentexten ist vom Abschneiden des Kopfes nirgends die
Rede, nur vom Wiederansetzen, wie die von Prof. Sethe freundlichst für mich gesammelten Stellen (T. i$7ff. = M. 174 ff.
= N. 687 ff.; P. noff. = M. 75ff. =N. 77ff.; P. io5ff. = M. 71 ff. =^N. 73 ff.; T. 27ff. —=M. 65ff. = N. i2$ff.; N. 210;
P. 113 ff. = M. 80 ff. = N. 81 ff.; P. 116 ff. = M. 97 ff. = N. 103 ff.; T. 280 ff. = P. 6t ff. = M. 29 ff. = N. 87 ff.) zeigen. Aus
diesen Stellen auf sekundäre Begräbnisse mit sortierten Knochen zu schließen, ist nicht erforderlich, zumal da diese Art von
Beisetzungen unter den bisher untersuchten schon nach Tausenden zählenden vorgeschichtlichen Gräbern nur sehr selten sind.
Es wird sich vielmehr hier auch um ein Abschneiden des Kopfes durch Dämonen handeln, wonach der Tote dann durch
die oben zitierten Zaubersprüche wieder zusammengesetzt werden soll.

Liste unten besonders aulgefuhrt werden.


Abb. 114: „Reservekopf" aus Kalkstein.
(Original im Berl. Mus. No. 16433.)
 
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