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Borchardt, Ludwig; Deutsche Orient-Gesellschaft [Hrsg.]
Ausgrabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft in Abusir: 1902 - 1904 (Band 1): Das Grabdenkmal des Königs Ne-User-Re' — Leipzig, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.36919#0173
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Abschnitt V: Wiederherstellungsarbeiten — Zerstörung.

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Bekleidung beraubten und den weißen Kalkstein des Tempels zu Bausteinen Air andere Bauten
zerkleinerten.
Es muß eine reguläre Bildhauerwerkstätte damals hier installiert worden sein. Wir fanden
nämlich im Schutt außer einigen schon ganz fertig zugehauenen Säulenbasen einen Block, aus
dem die Statue eines kleinen am Boden hockenden Prinzen (Abb. 136) ausgehauen werden
sollte. Die rote Aufzeichnung dazu zeigt ihn mit der Seitenlocke, wie sie im neuen Reiche,
etwa zu den Zeiten der 19., 20. Dynastie Mode war. Auch ein noch unfertiger Sphinx
(Abb. 13 7), zu dem gleichfalls das gelbe Kalksteinmaterial des Kernmauerwerks hatte herhalten
müssen, wurde im Schutt gefunden.
Diese Stücke sind also ins neue Reich zu setzen, und diese Zeit daher als die der Zer-
störung unseres Bauwerks anzunehmen. Aus dieser Epoche stammt auch wohl eine Inschrift,
die in mehrfachen Wiederholungen in roter Farbe auf den Basaltblöcken im Zimmer am
südlichen Hofausgang (d, 4) steht. Da sie einmal über die Fuge geschrieben ist, also nicht
im Bruch schon aufgeschrieben sein kann, auch im Duktus und Inhalt das neue Reich verrät,
so mag sie uns wohl den Namen des Offiziers geben, der unter irgend einem Ramessiden^
zum Steinebrechen hierher kommandiert war. Die InschriA lautet:
"Der Oberst der Bogenschützen Merij-nebf".
Ob erst bei der planmäßigen Zerstörung die Pyramide geöffnet wurde, oder schon früher,
kann ich nicht bestimmen. Jedenfalls scheint die völlige Zerstörung der Kammer in diese Zeit
zu fallen, da sie ersichtlich nur zum Zwecke der Gewinnung des guten, weißen Kalksteins aus-
geführt wurde. Mit welcher Tollkühnheit man damals die Wände und Dachbalken der
Kammer durch Keilsprengungen (s. oben Abb. 84) zerstörte, davon kann man nur einen BegriA
bekommen, wenn man die heute noch hängenden Überreste der Dachkonstruktion über sich
schweben sieht.
Daß im Ende des neuen Reiches oder später auch einige ärmliche Wohnstätten von
Hirten und Bauern auf dem Terrain des Tempels und Pyramidenhofes sich einnisteten, kann
hier übergangen werden, ebenso wie die verschiedenen Begräbnisplätze, die eigentlich in allen
Zeiten, seit dem Verfalle des Tempels und teilweise sogar schon vorher, hier angelegt worden
sind. Diese alle werden in dem Bande besprochen, der unser Totenfeld zwischen der fünAen
Dynastie und der griechischen Zeit behandelt.
Hier soll nur noch erwähnt werden, daß nach der griechischen Zeit — wann es aber war, ist
nicht näher zu bestimmen — noch eine weitere systematische Zerstörung einsetzte. Die Ostwand
des Pyramidenhofes wurde nämlich zur Gewinnung ihres weißen Kalksteins aus der sie damals
schon sehr hoch umgebenden Schuttmasse herausgerissen, und dabei die an ihr liegenden
griechischen Särge aus Alexanders Zeit halb zerstört. Diese Zerstörungsepoche dürfte also
in ptolemäische, römische oder gar erst in arabische Zeit gefallen sein.
Für die Zerstörung der um den Tempel herumliegenden Gräber des alten Reiches läßt sich
eine Zeit nicht angeben. Die zum Teil in ihre Höfe eingebauten späteren Gräber, die noch in
das Ende des alten Reiches hinaufreichen mögen, zeigen deutlich, daß ihre PAege nicht einmal so

1) In diese Zeit möchte ich auch dem Duktus nach die Kritzeleien setzen, welche auf dem großen Tempelrelief
(s. Bl. 16 vor dem Gesicht der Göttin) stehen.
 
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