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Braun, Emil
Antike Marmorwerke: 1. u. 2. Decade — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.4847#0031
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1. Hermes der Binderdieb.

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Hymn. h> Mercur. 387—390.

"ie anmuthige Statue eines lebensvollen Knaben, welcher eine Masse faltenreichen Gewandes um Leib
und Schultern geworfen hat und mit wunderbarer Keckheit des Blicks der Strafpredigt, die an ihn
ergeht, entgegentritt, beziehe ich auf den vergnüglichen Moment, in welchem der kaum geborene Sohn
der Maia sich vor Zeus und Apollon wegen des Rinderdiebstahls weissbrennen will. Zeus konnte das
Lachen nicht lassen über den ränkereichen Knaben, und zu unwillkürlichem Lachen veranlasst uns
wol auch die komische Positur, das protzige Wesen, die altkluge Weise des Knaben, den wir in diesem
Marmorbilde vor uns haben.

Beweisen kann ich meine Ansicht von diesem so ganz vereinzelt dastehenden Denkmal freilich
nicht. Symbole und anderes Beiwerk fehlen. Wahrscheinlich sind sie mit dem untern Theile der
Figur weggebrochen; denn die Füsse von den Knien an abwärts sind, wie dies in der Zeichnung
angedeutet ist, moderner Ergänzung

Unsere Statue auf einen Mercur zu beziehen, fehlt es übrigens nicht an aller Analogie. Man
vergleiche die ähnlichen Kinderstatuen dieses Gottes bei Clarac pl. 655, Nr. 1505 und 1507. Hier
hat er allerdings beide Male Flügel an der Stirn, die unsrer Statue fehlen. Gleich daneben befindet
sich indessen ein anderer Mercurknabe Nr. 1506A., der gleichfalls ohne dieses Attribut ist, dafür
aber geflügelte Sandalen trägt. Diese können nun eben recht gut bei unsrer Statue mit den Füssen
abhanden gekommen sein.

Wer die Gewandung unsrer Figur genauer betrachtet, wird sich leicht überzeugen, dass das
weder ein Mantel noch ein Kleid ist, sondern ordnungslos umgenommenes Tuchwerk, was den Aufzug,
in welchem Hermes vor dem Tribunal des Zeus erschien, recht gut vergegenwärtigt.

Deute man indess diese Statue wie man wolle, merkwürdig und seltsam wird man sie immer
finden müssen. Sie ist auch nicht ohne Kunstverdienst und, den Untertheil abgerechnet, von treff-
licher Erhaltung.

Dieses beachtenswerthe Denkmal befindet sich in der Galerie des Palastes Spada alla Regola
und hat lebensgrosse Verhältnisse. Gelehrte und Ungelehrte nahmen es bis dahin für Telesphoros.

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