Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Braun, Joseph
Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (Band 2): Die Ausstattung des Altars, Antependien, Velen, Leuchterbank, Stufen, Ciborium und Baldachin, Retabel, Reliquien- und Sakramentsaltar, Altarschranken — München, 1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2049#0547
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neuntes Kapitel. Wandmalereien und Behänge oberhalb der Altäre 531

noch nicht einmal im ausgehenden 15. der Fall. Freilich folgt daraus nicht,
daß man überhaupt keinen Schmuck hinten oberhalb des Altares anbrachte.
Im Gegenteil war man, wo die Umstände es gestatteten, schon in altchrist-
licher Zeit darauf bedacht, durch Mosaiken oder Fresken die Wandfläche
hinter und über dem Altar zu verschönern. Denn die prächtigen, musivischen
Darstellungen, die beispielsweise in den alten Basiliken Roms, im Dom zu
Parenzo, in S. Vitale zu Ravenna und in S. Apollinare in Classe die Apsis zieren,
wurden zweifellos vor allem erdacht und geschaffen als Schmuck des in oder
vor derselben stehenden Altares. Ihre Bedeutung für diesen war etwa die
gleiche wie diejenige, welche die spanischen Wandretabeln der Spätgotik
und der Renaissance für den vor ihnen frei aufgestellten Altar besitzen. Wie
sie sollten auch jene Mosaiken und Fresken nicht bloß eine Zier der Kirche
und insbesondere der Apsis als des wichtigsten Teiles des Gotteshauses sein,
sondern vor allem für den Altar eine seiner Würde entsprechende Um-
gebung schaffen, für ihn einen ihn in seiner hohen Bedeutung auf den ersten
Blick kennzeichnenden Hintergrund bilden.

Nicht anders als mit den altchrisUichen Apsismosaiken verhielt es sich
mit dem Mosaikschmuck, mit dem man in karolingischer Zeit die Apsis ver-
sah, sowie mit den Fresken, mit denen man Concha und Wand der Chor-
apsis in den romanischen Kirchen bemalte. Auch diese waren — die einen
wie die anderen — vornehmlich als eine Art von Schmuck des Altares be-
absichtigt, wie das die Darstellungen bekunden, welche für dieselben gewählt
zu werden pflegten.

Besonders deutlich trat die Zusammengehörigkeit von Wandschmuck und Altar
zutage, wenn letzterer der mit Malereien ausgestatteten Wand unmittelbar vorgebaut
war, wie z. B. die Nebenaltäre in der Märtyrerbasilika und in S. Caliono zu Cimitile
bei Nola, oder der Altar der kleinen Krypta von S. Urbano a Caffarclla zu Rom. In
beiden Basüiken zu Cimitile befindet sich hart oberhalb der die Hauptapsis flankie-
renden kleinen Seitenaltäre eine im Halbrund schließende Nische, in der das Brust-
bild eines Heiligen angebracht ist. Altäre und Bilder gehören dem 8. Jahrhundert
an (Talel 37). In der Krypta von S. Urbano sehen wir in der Wand über dem Altar in
einer flachen conchaartigen Nische eine Freskomalerei ans dem späten 10. Jahr-
hundert, welche die Halbfigur der Gottesmutter mit dem Jesuskinde zwischen den
Halbbildern des hl. Urbanus und des hl. Johannes darstellt1.

Auch wenn der Altar sieh in einer mit Gemälden verzierten Nische befand,
mochte er ihr nun fest eingebaut oder frei in ihr aufgestellt sein, trat die Zugehörig-
keit der Malereien derselben zu ihm und der Zusammenhang, in dem die Bilder
mit ihm standen, unverkennbar und beim ersten Blick in die Augen. Eine Anlage
dieser Art, die in das 8. Jahrhundert hinaufreichen dürfte, von deren Altar sich jedoch
nur ein Stumpf erhalten hat, ist die Nische der „Fünf Jungfrauen" im Vorraum der
Januariuskatakombe, so genannt von den übrigens wohl aus späterer Zeit stammen-
den Figuren von fünf heiligen Jungfrauen, mit denen die Wand der Nische bemalt
lst- Eine sehr lehrreiche, gleichartige Anlage aus karolingischer Zeit wurde jüngst
durch J, Garber in dem Benediktuskirchlein zu Mals in Tirol aufgedeckt. Gute
Beispiele aus romanischer Zeit finden sich in der Krypta von St. Maria im
KapHol zu Köln, am Ostende des Emporengeschosses des südlichen Seitenschiffes
der Pfarrkirche zu Andernach, in der Kapelle der Tiroler Burg Hocheppan, im Mar-

1 Abb. bei Wilpert, Rom. Malereien, Tfl. 229, n. 1.
 
Annotationen